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Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0794
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BUA 11,43

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[6] Auch wissen wir durch den Arzt ihres Vaters, des Herzogs von Burgund,
dass die edle Herzogin Alaisa von Brabant,8 bevor sie den äußerst edlen
Herzog Heinrich9 heiratete, selbst sagte, sie habe vorausgesehen, dass sie
ihrer ersten Empfängnis, kaum dass sie geboren und getauft war, alsbald
beraubt werden würde, sich nach einer zweiten schwächlichen Empfängnis 5
aber weiterer Geburten erfreuen werde. Dies haben wir freilich äußerst
augenscheinlich gesehen.10 Und vielleicht konnte der Arzt dies aufgrund der
bekannten Verfassung und Gebrechlichkeit der Mutter vorhersehen.
[7] Durch den Geist der Prophezeiung sah Joseph im Traum, durch den
Scharfsinn sehen zuweilen die Menschen und am meisten die Dämonen die 10
Zeiten vorher. Ich habe selbst erlebt, dass ich im Schlaf einen
bevorstehenden Todesfall vorhergesehen habe. Wir, zehn Priester und zwei
Diakone, verweilten nämlich in einem Haus, widmeten uns dem Studium
und taten dies, wie ich hoffe, ohne die Schande irdischer Sünde. Einer von
uns berichtete nun folgendermaßen, was er im Traum gesehen hatte: „Ich 15
glaubte im Traum eine Messe zu feiern und siehe, ich erblickte das
Sakrament des Blutes Christi im Kelch bis zum Überfluss zunehmen und
schließlich überlaufen.“ Darauf antwortete einer von uns, während er tief
Atem holte: „Der Kelch steht für die Passion Christi und nun, Teuerster,
bereite deine Seele auf eine äußerst schwere Versuchung oder den Tod vor.“ 20
Und unverzüglich wurde er in der zweiten Nacht so schwer krank, dass man
glaubte, er werde unerwartet sterben. In der dritten Nacht aber wollte ein
gewisser Gefährte, nachdem das Morgengebet gesprochen worden war,
beten, begann jedoch einzuschlafen. Und siehe, da ertönte eine Stimme und
sprach: „Wache und bete.“ Als dies ein drittes Mal geschah und der Bruder 25
ein drittes Mal einschlief, lief plötzlich der Diener herbei, der über den
Kranken wachte und sagte, dass dieser gestorben sei oder schlafe und nicht
zu wecken sei. Bestürzt eilten also wir alle, die wir im Haus waren, herbei
und fanden den Mann bald verstorben, seinen Traum bestätigt und dessen
Deutung im Mysterium des Kelchs vorher angekündigt. 30

^Aleidis Alix Adelaide (gest. 1273) von Burgund, Tochter Herzog Hugos IV von Burgund, seit
1251 mit Heinrich III., Herzog von Brabant (s. Anm. 9), verheiratet. Zu ihrem politischen
Einfluss, besonders als Regentin nach dem Tod ihres Mannes 1261, s. KUSMAN, A propos. S.
außerdem Kapitel I der Einleitung zur Edition. | ^Heinrich III. (1230 31-1261), Herzog von
Brabant seit 1248. S. zu ihm AVONDS, Art. „Heinrich III. “ sowie die Ausführungen in Kapitel I
der Einleitung zur Edition. | wAleidis und Heinrich III. hatten vier Kinder: Heinrich IV. (ca.
1257-1272), Herzog von Brabant von 1261-1267; Johann I. (ca. 1252/53-1294), Herzog von
Brabant seit 1267; Maria von Brabant (1254-1231), seit 1274 mit Philipp III. von Frankreich
verheiratet; Gottfried von Aerschot (gest. 1302). S. dazu VAN UYTVEN, Noble Brabant.
 
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