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[2] Höre, was der Philosoph über neugierige Gelehrte denkt: „Wie bei allen
Dingen“, sagt er, „so leiden wir auch in der Wissenschaft an Maßlosigkeit:
nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir.“ „Ich denke, dass
niemand mehr um alle Sterblichen besorgt ist als diejenigen, welche die
Philosophie wie ein gewisses Kunstgewerbe erlernt haben, und die nämlich 5
anders leben als sie vorschreiben.“ „Zur Übung einer anderen Tugend ist es
freilich notwendig, auch die eigene zu üben.“ Strebe nach sicheren und
guten Sitten, nicht nach Fragen, die kein Ende haben. Du sollst nicht viele
Dinge durch Lesen durcheilen, sondern nur die, die nützlich sind. „Es ist die
Art eines verwöhnten Magens, vieles zu kosten, was - wenn es nicht 10
vielfältig und verschieden ist - verunreinigt, aber nicht nährt. Lies also
immer anerkannte Autoren, und kehre, wenn es einmal beliebt, dich anderen
zuzuwenden, zu den Früheren zurück.“ „Aus vielem, was du liest, sollst du
dir etwas Heutiges aneignen. Der vorsichtige Ritter pflegt nämlich auch in
fremde Lager hinüberzugehen, jedoch nicht als Überläufer, sondern als 15
Kundschafter.“ „Man muss dem Geist eine Pause geben, nicht damit er
ermattet, sondern damit er entspannt.“ Der Bogen, den man nicht lockert,
lässt nach und wird weich. „Dennoch bedeutet Muße ohne Wissenschaft den
Tod und ein Grab für den lebendigen Menschen.“ „Es kommt aber nicht
sehr darauf an, ob du das Studium aufgibst oder unterbrichst; sondern auf 20
die Weise der Dinge, welche gespannt auseinanderspringen, kehrt das bis zu
seinen Anfängen zurück, was von der Beständigkeit abgefallen ist.“ Wir
preisen also ein beständiges Maß an Zurückhaltung, damit der Verstand
nicht durch Ermattung erschöpft, sondern es zur Vollkommenheit bringt.
„Widme dich nicht immer der Tätigkeit, sondern gib bisweilen deinem Geist 25
Ruhe. Und diese Ruhe ist selbst voll an Weisheit für Studien und gute
Erwägungen. Der Kluge erschlafft niemals in Muße. Der Geist erreicht
irgendwann einmal Entspannung, niemals vollkommene Loslösung.“ „Die
Weisheit gestaltet und formt den Geist, sie ordnet das Leben, lenkt die
Handlungen und offenbart, was zu tun und zu lassen ist; sie sitzt am Steuer 30
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[2] Höre, was der Philosoph über neugierige Gelehrte denkt: „Wie bei allen
Dingen“, sagt er, „so leiden wir auch in der Wissenschaft an Maßlosigkeit:
nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir.“ „Ich denke, dass
niemand mehr um alle Sterblichen besorgt ist als diejenigen, welche die
Philosophie wie ein gewisses Kunstgewerbe erlernt haben, und die nämlich 5
anders leben als sie vorschreiben.“ „Zur Übung einer anderen Tugend ist es
freilich notwendig, auch die eigene zu üben.“ Strebe nach sicheren und
guten Sitten, nicht nach Fragen, die kein Ende haben. Du sollst nicht viele
Dinge durch Lesen durcheilen, sondern nur die, die nützlich sind. „Es ist die
Art eines verwöhnten Magens, vieles zu kosten, was - wenn es nicht 10
vielfältig und verschieden ist - verunreinigt, aber nicht nährt. Lies also
immer anerkannte Autoren, und kehre, wenn es einmal beliebt, dich anderen
zuzuwenden, zu den Früheren zurück.“ „Aus vielem, was du liest, sollst du
dir etwas Heutiges aneignen. Der vorsichtige Ritter pflegt nämlich auch in
fremde Lager hinüberzugehen, jedoch nicht als Überläufer, sondern als 15
Kundschafter.“ „Man muss dem Geist eine Pause geben, nicht damit er
ermattet, sondern damit er entspannt.“ Der Bogen, den man nicht lockert,
lässt nach und wird weich. „Dennoch bedeutet Muße ohne Wissenschaft den
Tod und ein Grab für den lebendigen Menschen.“ „Es kommt aber nicht
sehr darauf an, ob du das Studium aufgibst oder unterbrichst; sondern auf 20
die Weise der Dinge, welche gespannt auseinanderspringen, kehrt das bis zu
seinen Anfängen zurück, was von der Beständigkeit abgefallen ist.“ Wir
preisen also ein beständiges Maß an Zurückhaltung, damit der Verstand
nicht durch Ermattung erschöpft, sondern es zur Vollkommenheit bringt.
„Widme dich nicht immer der Tätigkeit, sondern gib bisweilen deinem Geist 25
Ruhe. Und diese Ruhe ist selbst voll an Weisheit für Studien und gute
Erwägungen. Der Kluge erschlafft niemals in Muße. Der Geist erreicht
irgendwann einmal Entspannung, niemals vollkommene Loslösung.“ „Die
Weisheit gestaltet und formt den Geist, sie ordnet das Leben, lenkt die
Handlungen und offenbart, was zu tun und zu lassen ist; sie sitzt am Steuer 30