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Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0858
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BUA 11,49

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erhalten. Daher sagt man allgemein: Der Mann, der innerhalb eines Jahres
seit der Eheschließung mit seiner Frau nicht Reue empfunden hat, verdient
einen kleinen, an einer goldenen Kette aufgehängten Schinken.23 Und welch
große Übel freilich bei Tänzen geschehen, wissen Frauen am besten, vom
Sehen sowie vom Hören her, aus Gesprächen sowie aus Umarmungen. 5
[13] In einer gewissen Stadt in Brabant gab es, wie mir ein Bruder des
Predigerordens erzählt hat, eine begehrliche und eitle Frau, die es gewohnt
war, bei fast jedem Fest den Reigentanz zu tanzen.24 Und es geschah, dass
während junge Männer neben diesem Tanz zum Spiel sprangen, einem von
ihnen, der versuchte einen Ball zu schlagen, sein Krummstab aus der Hand 10
glitt; nachdem dieser den Kopf der besagten, den Reigen anführenden Frau
durchbohrt hatte, tötete er sie bald. Als sie dies sahen, waren alle beschämt
und trugen die Leiche zu deren eigenem Haus zurück und legten sie auf eine
Trage. Dem Priester aber, der mit den Klerikern kam, um die Vigilien zu
feiern, stürmte - siehe! - ein tiefschwarzer Stier, ja vielmehr ein äußerst 15
schlechter Dämon, mit lautem Brüllen entgegen; er warf die Trage mit dem
Leichnam zu Boden und durchbohrte ihn, indem er ihn mit den Hörnern
zerstörte, gliedweise, so dass sich, nachdem die Eingeweide hier und da
zerstreut worden waren, ein unerträglicher Gestank verbreitete. Während
also alle davonliefen, blieb der zerfetzte Leichnam bis zum Morgen allein 20
zurück, bis sich nämlich der Gestank verzogen hatte und die Nachbarn der
Verstorbenen das Haus wieder betreten konnten, um die Leiche, nachdem
man sie emporgehoben hatte, außerhalb der Friedhofsmauern zu bestatten.25
[14] In Frankreich nahe bei Laon sind, wie wir von einem Priester der Stadt
erfahren haben, gewisse Tänzer, welche über eine Brücke sprangen, 25
vollkommen in dem starken Gewässer untergegangen, als die äußerst stabile
Brücke plötzlich zerbrach.

in den Varianten W2 und P2 überlieferte Fassung mit einem Schinken fpernaj als Lohn für
eine vorbildliche Eheführung beschreibt in ähnlicher Fassung auch Jakob von Vitry in seinen
Feiertagspredigten. S. hierzu Die Exempla aus den Sermones feriales et communes, hg. von
GREVEN, Nr 63, S. 41 sowie Kap. II. 1. der Einleitung zur Edition. | 24Die folgenden
Geschichten vermitteln vehemente Kritik an Tanzformen, die allein der Unterhaltung dienten. S.
zur Etymologie fchoreaj und zu mittelalterlichen Normvorstellungen in Bezug auf das Tanzen
ROHMANN, Tanzwut, S. 172-174 sowie 180-192. | 25Zw Verweigerung der Bestattung in
geweihter Erde sowie allgemein zu Abweichungen von gängigen Beerdigungsritualen s.
Schmitz-Esser, Leichnam, S. 475-495.
 
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