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jenen verlorenen Ruhm wieder erlangen kannst, wenn du nur dies
aussprichst: ,Herr, mein Gott, ich habe gesündigt, verzeihe mir/“ Und bald
schrie jener mit verdrehtem Hals schrecklich: „Herr, Herr.“ Und obwohl
diese Worte ziemlich häufig mit lautem Geschrei erschallten, kam er bei den
Worten nicht darüber hinaus - ich wusste nämlich, dass es für jenen 5
unmöglich war, Gott als seinen Herrn anzuerkennen und zu gestehen, dass
er gesündigt hatte, und zu beten, dass ihm verziehen werde - und fügte
schließlich hinzu: „Herr, Gott, Margarethe“ (so wurde nämlich die
besessene Frau genannt), aber er war unwillig, Gott als seinen Herrn
anzuerkennen. Daraufhin sagte ich: „O unglücklichste aller Kreaturen, der 10
Hochmut hat dich ausgestoßen und aus dem Himmel vertrieben. Dein
unsühnbarer Hochmut gestattet es dir nicht, zurückzukehren.“ Sofort
verstummte er bestürzt und verließ nach wenigen Tagen, nicht jedoch gleich
damals, die Frau.
[68] Ich habe auch von einem erstaunlichen Urteil Gottes über einen 15
anderen Besessenen gehört. Es gab in der Nähe der Stadt Cambrai einen
gewissen sehr verschlagenen Ketzer, der, weil er befürchtete, von den
Predigerbrüdem befragt und verbrannt zu werden, die in der besagten Stadt
zu jener Zeit sehr viele verbrannten,98 so tat, als sei er von einem Dämon
ergriffen; und deswegen wurde er von Freunden oder Feinden gefesselt zum 20
heiligen Aichardus in Haspres gebracht, der die Besessenen heilen konnte,99
so dass man bei ihm keine offensichtliche Ketzerei, sondern Wahnsinn
vermutete. Und sobald ein gewisser, von einem Dämon besessener und
gefesselter Kleriker hörte, dass Ägidius Boogris (so nannte man ihn
nämlich) gefesselt zu dem Ort gebracht wurde, wurde in der folgenden 25
Nacht derselbe besessene Kleriker durch einen göttlichen Wink erlöst. Er
häufte Decken und Stroh an und türmte die Bänke der Kirche über dem
gefesselten Ketzer auf. Jener hielt es aber für einen Scherz und für
Wahnsinn und ignorierte es, bis der Kleriker Feuer aus einer Lampe nahm
98Diese Passage bezieht sich offenbar auf die inquisitorischen Tätigkeiten Roberts „ le Bougre “
OP (gest. vor 1263) in den 1230er Jahren: Im Jahr 1232 beauftragte Gregor IX. (Papst seit
1227, s. oben Anm. 53) die Dominikanerbrüder Robert „le Bougre“ und Walter mit der
Untersuchung von Häresie in Burgund; 1233 später wurde Robert zum päpstlichen Inquisitor
für diese Region, 1235 zum Inquisitor für ganz Frankreich ernannt. In dieser Funktion reiste
Robert zu Beginn des Jahres 1236 nach Cambrai, wo am 17. Februar mindestens 20 Personen
der Häresie angeklagt, verurteilt und öffentlich verbrannt wurden. S. hierzu TRAIL, Philip the
Chancelor, S. 242-244. | "Aichardus (gest. 698), zweiter Abt von Jumieges. Nach der
partiellen Zerstörung des Klosters durch die Normannen im Jahr 841 wurden die Reliquien des
Aichardus nach Haspres nahe Cambrai transferiert. S. hierzu HOWE, Hagiography of Jumieges,
S. 95-107.
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jenen verlorenen Ruhm wieder erlangen kannst, wenn du nur dies
aussprichst: ,Herr, mein Gott, ich habe gesündigt, verzeihe mir/“ Und bald
schrie jener mit verdrehtem Hals schrecklich: „Herr, Herr.“ Und obwohl
diese Worte ziemlich häufig mit lautem Geschrei erschallten, kam er bei den
Worten nicht darüber hinaus - ich wusste nämlich, dass es für jenen 5
unmöglich war, Gott als seinen Herrn anzuerkennen und zu gestehen, dass
er gesündigt hatte, und zu beten, dass ihm verziehen werde - und fügte
schließlich hinzu: „Herr, Gott, Margarethe“ (so wurde nämlich die
besessene Frau genannt), aber er war unwillig, Gott als seinen Herrn
anzuerkennen. Daraufhin sagte ich: „O unglücklichste aller Kreaturen, der 10
Hochmut hat dich ausgestoßen und aus dem Himmel vertrieben. Dein
unsühnbarer Hochmut gestattet es dir nicht, zurückzukehren.“ Sofort
verstummte er bestürzt und verließ nach wenigen Tagen, nicht jedoch gleich
damals, die Frau.
[68] Ich habe auch von einem erstaunlichen Urteil Gottes über einen 15
anderen Besessenen gehört. Es gab in der Nähe der Stadt Cambrai einen
gewissen sehr verschlagenen Ketzer, der, weil er befürchtete, von den
Predigerbrüdem befragt und verbrannt zu werden, die in der besagten Stadt
zu jener Zeit sehr viele verbrannten,98 so tat, als sei er von einem Dämon
ergriffen; und deswegen wurde er von Freunden oder Feinden gefesselt zum 20
heiligen Aichardus in Haspres gebracht, der die Besessenen heilen konnte,99
so dass man bei ihm keine offensichtliche Ketzerei, sondern Wahnsinn
vermutete. Und sobald ein gewisser, von einem Dämon besessener und
gefesselter Kleriker hörte, dass Ägidius Boogris (so nannte man ihn
nämlich) gefesselt zu dem Ort gebracht wurde, wurde in der folgenden 25
Nacht derselbe besessene Kleriker durch einen göttlichen Wink erlöst. Er
häufte Decken und Stroh an und türmte die Bänke der Kirche über dem
gefesselten Ketzer auf. Jener hielt es aber für einen Scherz und für
Wahnsinn und ignorierte es, bis der Kleriker Feuer aus einer Lampe nahm
98Diese Passage bezieht sich offenbar auf die inquisitorischen Tätigkeiten Roberts „ le Bougre “
OP (gest. vor 1263) in den 1230er Jahren: Im Jahr 1232 beauftragte Gregor IX. (Papst seit
1227, s. oben Anm. 53) die Dominikanerbrüder Robert „le Bougre“ und Walter mit der
Untersuchung von Häresie in Burgund; 1233 später wurde Robert zum päpstlichen Inquisitor
für diese Region, 1235 zum Inquisitor für ganz Frankreich ernannt. In dieser Funktion reiste
Robert zu Beginn des Jahres 1236 nach Cambrai, wo am 17. Februar mindestens 20 Personen
der Häresie angeklagt, verurteilt und öffentlich verbrannt wurden. S. hierzu TRAIL, Philip the
Chancelor, S. 242-244. | "Aichardus (gest. 698), zweiter Abt von Jumieges. Nach der
partiellen Zerstörung des Klosters durch die Normannen im Jahr 841 wurden die Reliquien des
Aichardus nach Haspres nahe Cambrai transferiert. S. hierzu HOWE, Hagiography of Jumieges,
S. 95-107.