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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Dörner, Gerald [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 1. Teilband): Straßburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30661#0038
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Straßburg

(1506-1541) kam es zu einer Wende. Durch Sparmaßnahmen und durch eine Verbesserung der Einkünfte
mit Hilfe von dem Klerus auferlegten subsidia caritativa und dem Verkauf von Butterbriefen an die Gläu-
bigen gelang es, die Finanzen soweit zu sanieren, daß nach und nach Teile des Territoriums wieder eingelöst
werden konnten. Das an Straßburg veräußerte Öffnungsrecht der Burgen und Orte wurde 1502 zurücker-
worben. 1528 kaufte Bischof Wilhelm von Honstein das Amt Ettenheim von Straßburg zurück, zehn Jahre
später das Amt Benfeld und die Burg Kochersberg9.
Das Kernstück des bischöflichen Besitzes bildete die Herrschaft über die Stadt Straßburg. In dem aus
der Mitte des 12. Jh. stammenden ersten Stadtrecht erscheinen Vogt, Schultheiß und Burggraf als bischöf-
liche Beamte. Ein städtischer Rat findet erstmals 1201 Erwähnung. Das zweite Stadtrecht von 1214, das als
Vertrag zwischen Bischof und Stadt ausgestaltet war, legte fest, daß jährlich zwölf Männer, je zur Hälfte
aus den Ministerialen und den Bürgern, in den Rat entsandt werden sollten. Zweimal in der Woche, am
Dienstag und Freitag, kamen diese als Gericht zusammen. Neben dem Rat werden 1214 die Schöffen
(scabini) erwähnt: Sie traten bei Prozessen um Kauf und Verkauf sowie um Forderung und Schuld als
Zeugen auf. Zugleich konnte sie der Rat bei Verhandlungen mit dem Bischof als Berater hinzuziehen. Keine
bedeutenden institutionellen Veränderungen brachte das dritte Stadtrecht von 1249 mit sich10.
Das Verhältnis zwischen Bischof und Stadt scheint zu dieser Zeit weitgehend einvernehmlich gewesen zu
sein. Von dem ihnen durch Kaiser Friedrich II. eingeräumten Recht, Rat und Gericht aufzulösen, machten
die Bischöfe anscheinend keinen Gebrauch. Erst in den letzten Jahren des Episkopats von Bischof Heinrich
III. von Stahleck (1245-1260) verschlechterten sich die Beziehungen. Ohne den Bischof zu konsultieren,
trat Straßburg 1254 dem Rheinischen Städtebund bei und demonstrierte so seine Unabhängigkeit. Um die
Position der bischöflichen Beamten zu schwächen, forderte der Rat eine Widerrufbarkeit der Ämter. Mehr-
fach griff er in die Privilegien des Klerus ein, indem er Abgaben auf Wein und Korn von den Geistlichen
erhob. Unter dem Nachfolger Bischof Heinrichs III., Walther von Geroldseck, kam es dann zum bewaff-
neten Austrag des Konflikts: In der entscheidenden Schlacht am 8. März 1262 bei Oberhausbergen, nord-
westlich von Straßburg, blieben die städtischen Truppen siegreich. In dem im April des folgenden Jahres
abgeschlossenen Friedensvertrag mußte der Bischof dem Rat die Unabhängigkeit zugestehen und auf sein
Einspruchsrecht gegen dessen Wahl verzichten. Er anerkannte das Recht der Stadt, neue Statuten zu
beschließen und Verträge und Bündnisse frei auszuhandeln. Ihm blieb das Recht der Ernennung von Schult-
heiß, Burggraf, Münzmeister und Zöllner; einen Teil der Ämter mußte er aber mit Bürgern besetzen11.
Die folgenden Jahrzehnte sind durch den Kampf der Zünfte um eine angemessene Beteiligung am
Regiment bestimmt. Ein erster Aufstand der Zünfte konnte von den Patriziergeschlechtern 1308 noch
niedergeworfen werden. 1332 aber nutzten die Handwerker eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen
den Adelsfraktionen der Zorn und der von Müllenheim (das „große Geschelle“), um sich in den Besitz von
Schlüssel, Siegel und Banner zu bringen und den Zugang zum Rat durchzusetzen12. Fortan entsandte jede
Zunft einen Vertreter aus ihren Reihen in den Rat. Die Bestimmungen des ersten Schwörbriefes von 1334
hinsichtlich der Wahl und Zusammensetzung des Rates wurden 1349 modifiziert und die Zahl der Ratsher-
ren auf 56 Personen erhöht. Neben die nun vier (statt zwei) Stettmeister trat ein aus den Zünften gewählter
Ammeister13.
Die Unabhängigkeit von der bischöflichen Stadtherrschaft wurde 1358 von Karl IV. anerkannt, als er
Straßburg als „freie Stadt“ bezeichnete. Trotzdem gab es immer wieder Versuche der Bischöfe, die verlorene
Herrschaft zurückzugewinnen, auch mit kriegerischen Mitteln. 1392 verbündete sich Bischof Friedrich von
Blankenheim mit den Markgrafen von Baden gegen die Stadt Straßburg. Der Konflikt endete jedoch mit

9 Vgl. Wunder, Landgebiet, S. 41-43 und 71. 12 Zu den beiden Geschlechtern ebd., S. 56f.
10 Vgl. Dollinger, Emancipation, S. 41-45. 13 Ebd., S. 84-88.
11 Ebd., S. 45-50.

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