Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 1. Teilband): Straßburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30661#0039
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Einleitung

der Niederlage des Bischofs. Auch der letzte Versuch der bewaffneten Restauration unter Bischof Wilhelm
von Diest in den Jahren 1428/29 mit Hilfe der Markgrafen von Baden und des Herzogs von Lothringen
brachte keinen Erfolg. Bischof Wilhelm schloß deshalb 1430 einen Freundschaftsvertrag mit der Stadt, den
sein Nachfolger Ruprecht 1442 erneuerte14.

B. Die Verfassung der Stadt
Straßburg war die bevölkerungsreichste Stadt im deutschen Südwesten und gehörte zu den wenigen Groß-
städten im Reich. Im Jahr 1475 zählte sie über 20.700 Einwohner15. In Kriegszeiten und Phasen wirt-
schaftlicher Not stieg die Bevölkerungszahl innerhalb der Mauern beträchtlich an: Beim Einfall der Arma-
gnaken ins Elsaß soll die Stadt fast 10.000 Flüchtlinge beherbergt haben16. Mitte des 15. Jh. betrug der
Umfang der durch die Mauern und Wälle umfaßten Fläche nach der Einbeziehung der Krutenau etwa 202
Hektar17. Neben der ursprünglichen Gemarkung der Stadt selbst gehörten noch zwei später angegliederte
Bänne zum Stadtgebiet. Hinzu kam ein Landgebiet, das entweder der Stadt unmittelbar unterstand oder
das sich im Besitz von Straßburger Bürgern, Stiften oder Klöstern befand und über das der Magistrat nur
mittelbar verfügen konnte. Nach der Einführung der Reformation gingen einige Dörfer aus dem Besitz von
geistlichen Instituten in den Besitz der Stadt über (z.B. Eckbolsheim, Wangen). In den der Stadt unmit-
telbar unterstehenden Gebieten bildeten die einzelnen Orte entweder eigene Herrschaftssprengel oder sie
waren zu Ämtern zusammengefaßt18. Von diesen Ämtern gab es 1566, nach dem Erwerb der Herrschaft
Barr, insgesamt sechs: das Amt Illkirch, das Amt Herrenstein, das Amt Wasselnheim (Wasselonne), das
Amt Marlenheim, das Amt Barr sowie das rechts des Rheines gelegene Amt Fürsteneck19.
Innerhalb der städtischen Bevölkerung bestanden erhebliche rechtliche Unterschiede: Es gab die
(Voll)Bürger, die Schultheißenbürger und die Einwohner ohne Bürgerrecht. Das Bürgerrecht erhielt jeder
Sohn eines Bürgers unentgeltlich, wenn er selbständig wurde und in der Stadt seinen Wohnsitz wählte. Auch
diejenigen, die eine Ehe mit einer Straßburger Bürgerstochter eingingen, gelangten ohne Zahlungen in den
Besitz des Bürgerrechts. Alle anderen mußten das Bürgerrecht gegen die Zahlung des „Burgerschillings“
erwerben. Im Laufe des 15. und 16. Jh. stieg diese Gebühr von 2 Gulden (1434) bis auf 20 Gulden (1612) an,
so daß die Zahl der Personen, die das volle Bürgerecht erwerben konnten, relativ klein blieb20. Weniger
Bemittelte und Arme besaßen die Möglichkeit, sich vom bischöflichen Schultheißen gegen eine geringe
Gebühr als sogenannte „Schultheißenbürger“ in die Stadt aufnehmen zu lassen. Sie verfügten aber nur über
eingeschränkte Rechte und besaßen auch keinen Zugang zu politischen Ämtern. Die Schultheißen- oder
Kleinbürger bildeten für den Magistrat ein Problem: Zwar benötigte die Stadt billige Arbeitskräfte, war
also auf den Zuzug von außerhalb angewiesen; in Kriegs- oder Notzeiten wurden die Schultheißenbürger
aber zu einer Belastung. Da nur ein Teil der Zuziehenden über Geld verfügte und in der Stadt Arbeit fand,

14 Vgl. Dollinger, Ville libre, S. 108f., 118f. und 128.
15 Zahl nach Isenmann, Stadt im Spätmittelalter, S. 29.
16 So Dollinger, Ville libre, S. 104.
17 Berechnungen ebd., S. 100 (dort findet sich auch eine
Karte mit den verschiedenen Stadien der Stadtbefesti-
gung).
18 Zu dieser Einteilung s. Wunder, Landgebiet, S. 9.
19 Zum Amt Illkirch gehörten die Orte Illkirch, Grafen-
staden, Illwickersheim (heute Ostwald), Niederhausber-
gen, Schiltigheim sowie weiter entfernt Ittenheim,
Handschuhheim, Dorlisheim, zum Amt Herrenstein die
gleichnamige Burg und die Dörfer Dettweiler, Dossen-
heim und ein Teil von Neuweiler, zum Amt Wasselnheim

(Wasselonne) die gleichnamige Burg und Stadt und das
Dorf Brechlingen mit Zehnacker, außerdem Teile der
Dörfer Flexburg, Ittelnheim und Friedolsheim, zum
Amt Marlenheim die Orte Kirchheim, Nordheim, Koß-
weiler, Romansweiler, zum Amt Barr die Dörfer Burg-
heim, Gertweiler, Goxweiler, Heiligenstein und ein Teil
von Mittelbergheim, zum Amt Fürsteneck die gleichna-
mige Burg und Anteile an Schutterwald bei Offenburg
sowie an den Rheindörfern Allmansweier, Nonnenweier
und Wittenweier. Zu den einzelnen Ämtern s. Wunder,
Landgebiet, passim und die Karte III im Anhang zu
Borries, Geschichte.
20 Vgl Winckelmann, Verfassung, S. 504f.

23
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften