Einleitung
den ehrenamtlichen Pflegern für ihre Tätigkeit entlohnt werden. Die Knechte sind für die Verteilung der
Almosen zuständig; hierüber legen sie Rechenschaft vor den Pflegern ab. Um Betrügereien zu erschweren,
findet ein regelmäßiger Wechsel der Knechte in den vier Armenbezirken statt. Den Knechten kommt auch
die Aufgabe zu, die Almosenempfänger zu kontrollieren. Unwürdigen Personen kann, um sie zu einem
ehrbaren und gottesfürchtigen Leben zu veranlassen, das Almosen zeitweise entzogen werden. Die Almo-
senempfänger werden zum Tragen eines Abzeichens aus Messing verpflichtet. Ihnen ist das Betteln mit
Ausnahme der beiden Feste Allerheiligen und Allerseelen verboten. Besonders behandelt werden die soge-
nannten Hausarmen: Bei ihnen verzichtet man auf das Tragen des Abzeichens. Aus jeder der fünf Schulen
der Stadt ist nurmehr einer genau festgesetzten Anzahl von Schülern das Betteln erlaubt. Untersagt wird
das Betteln dagegen den Sondersiechen, Spitalinsassen und Waisenhauskindern; sie sollen bei Bedarf durch
das Almosen versorgt werden. Ausgeschlossen vom Almosen sind arme Priester. Fremde Bettler sucht man
möglichst bereits am Tor abzuweisen. Für das Almosen werden in den Kirchen Opferstöcke aufgestellt, in
welche die Gläubigen ihre Gaben einlegen können. Darüber hinaus wird während der Gottesdienste eine
Kollekte durchgeführt. Nach der Almosenordnung errichtete fromme Stiftungen fallen dem Almosen zu;
frühere Stiftungen bleiben hingegen unangetastet. In Not geratene Handwerker können ein Darlehen erhal-
ten; im Gegenzug wird ihnen das Hausieren untersagt. Das für die Unterstützung der Bedürftigen vorge-
sehene Wochengeld ist gestaffelt nach Eheleuten, Eheleuten mit Kindern, Alleinstehenden und pflegebe-
dürftigen Personen59.
Die Nürnberger Ordnung entfaltete eine außerordentliche Wirkung. In kurzer Zeit wurde sie in meh-
reren Städten nachgedruckt, darunter auch in Straßburg in den Offizinen von Martin Flach und Matthias
Schürers Erben (1522). Am 10. November 1522 beauftragte der Straßburger Magistrat Daniel Mieg und
Hans von Blumenau damit, Vorschläge für die Neugestaltung des Armenwesens zu erarbeiten. Schon bald
wurde eine größere Kommission gebildet, der neben Mieg die XV Matthys Pfarrer und Jakob Meyer, der
XXI Jakob Spender und der Ratsherr Melchior Zuckmantel angehörten. Aus der Feder von Matthys
Pfarrer stammt der Entwurf zu der neuen Armenordnung; ihm folgt die endgültige Fassung weitgehend.
Für eine Beteiligung der Straßburger Geistlichen an den Vorarbeiten gibt es keine Hinweise. Am 4. August
1523 genehmigte der Rat die neue Ordnung und setzte sie am 29. September 1523 in Kraft.
In der Folge wurde ein Auszug aus der vom Rat genehmigten Armenordnung für den öffentlichen
Aushang angefertigt und zwar in einer kürzeren und einer längeren Fassung. Am 1. Oktober beschlossen der
Rat und die XXI nach einer Prüfung, den Druck der längeren Fassung als Plakat in Auftrag zu geben60.
Weggelassen sind in dem Auszug alle die innere Organisation des Armenwesens betreffenden Bestimmungen
sowie die Bestimmungen zu den fremden Bettlern. Andere Artikel der großen Ordnung werden zusammen-
gefaßt. Neu in der für den Aushang bestimmten Fassung ist vor allem der Hinweis auf den verdienstlichen
Charakter der mildtätigen Gabe für den Nächsten und die Belohnung dieser Tat im Jüngsten Gericht. Um
einen Vergleich zu ermöglichen, werden hier zunächst die Nummern des nach dem 1. Oktober 1523 veröf-
fentlichten Auszugs und dann kursiv die Nummern der ausführlichen Ordnung vom 4. August 1523 aufge-
listet: Nr. 1 - Nr. 1, Nr. 21, Nr. 26, Nr. 29 // Nr. 2 - Nr. 24 // Nr. 3 - Nr. 21 // Nr. 4 - Nr. 17 // Nr. 5 -
Nr. 23 // Nr. 6 - Nr. 35 // Nr. 7 - Nr. 37 // Nr. 8 - *** // Nr. 9 - Nr. 34 // Nr. 10 - Nr. 2, Nr. 3, Nr. h //
Nr. 11 - Nr. 35 // Nr. 12 - Nr. 39 // Nr. 13 - Nr. 10, Nr. 11, Nr. 12 // Nr. 14 - Nr. 20 // Nr. 15 - Nr. 20.
59 Vgl. Franz Ehrle, Die Armenordnungen von Nürn-
berg (1522) und Ypern (1525), in: HJ 9 (1888),
S. 450-479; Kreiker, Armut, S. 41f.; Otto Winckel-
mann, Die Armenordnungen von Nürnberg, Kitzingen,
Regensburg und Ypern, in: ARG 10 (1913), S. 242-280.
60 Siehe Brant, Annalen, Nr. 4456: Kurz und lang wie
angesetzt verlesen: Erkannt den langen üßzug uff ein bogen
drucken und uffschlagen.
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den ehrenamtlichen Pflegern für ihre Tätigkeit entlohnt werden. Die Knechte sind für die Verteilung der
Almosen zuständig; hierüber legen sie Rechenschaft vor den Pflegern ab. Um Betrügereien zu erschweren,
findet ein regelmäßiger Wechsel der Knechte in den vier Armenbezirken statt. Den Knechten kommt auch
die Aufgabe zu, die Almosenempfänger zu kontrollieren. Unwürdigen Personen kann, um sie zu einem
ehrbaren und gottesfürchtigen Leben zu veranlassen, das Almosen zeitweise entzogen werden. Die Almo-
senempfänger werden zum Tragen eines Abzeichens aus Messing verpflichtet. Ihnen ist das Betteln mit
Ausnahme der beiden Feste Allerheiligen und Allerseelen verboten. Besonders behandelt werden die soge-
nannten Hausarmen: Bei ihnen verzichtet man auf das Tragen des Abzeichens. Aus jeder der fünf Schulen
der Stadt ist nurmehr einer genau festgesetzten Anzahl von Schülern das Betteln erlaubt. Untersagt wird
das Betteln dagegen den Sondersiechen, Spitalinsassen und Waisenhauskindern; sie sollen bei Bedarf durch
das Almosen versorgt werden. Ausgeschlossen vom Almosen sind arme Priester. Fremde Bettler sucht man
möglichst bereits am Tor abzuweisen. Für das Almosen werden in den Kirchen Opferstöcke aufgestellt, in
welche die Gläubigen ihre Gaben einlegen können. Darüber hinaus wird während der Gottesdienste eine
Kollekte durchgeführt. Nach der Almosenordnung errichtete fromme Stiftungen fallen dem Almosen zu;
frühere Stiftungen bleiben hingegen unangetastet. In Not geratene Handwerker können ein Darlehen erhal-
ten; im Gegenzug wird ihnen das Hausieren untersagt. Das für die Unterstützung der Bedürftigen vorge-
sehene Wochengeld ist gestaffelt nach Eheleuten, Eheleuten mit Kindern, Alleinstehenden und pflegebe-
dürftigen Personen59.
Die Nürnberger Ordnung entfaltete eine außerordentliche Wirkung. In kurzer Zeit wurde sie in meh-
reren Städten nachgedruckt, darunter auch in Straßburg in den Offizinen von Martin Flach und Matthias
Schürers Erben (1522). Am 10. November 1522 beauftragte der Straßburger Magistrat Daniel Mieg und
Hans von Blumenau damit, Vorschläge für die Neugestaltung des Armenwesens zu erarbeiten. Schon bald
wurde eine größere Kommission gebildet, der neben Mieg die XV Matthys Pfarrer und Jakob Meyer, der
XXI Jakob Spender und der Ratsherr Melchior Zuckmantel angehörten. Aus der Feder von Matthys
Pfarrer stammt der Entwurf zu der neuen Armenordnung; ihm folgt die endgültige Fassung weitgehend.
Für eine Beteiligung der Straßburger Geistlichen an den Vorarbeiten gibt es keine Hinweise. Am 4. August
1523 genehmigte der Rat die neue Ordnung und setzte sie am 29. September 1523 in Kraft.
In der Folge wurde ein Auszug aus der vom Rat genehmigten Armenordnung für den öffentlichen
Aushang angefertigt und zwar in einer kürzeren und einer längeren Fassung. Am 1. Oktober beschlossen der
Rat und die XXI nach einer Prüfung, den Druck der längeren Fassung als Plakat in Auftrag zu geben60.
Weggelassen sind in dem Auszug alle die innere Organisation des Armenwesens betreffenden Bestimmungen
sowie die Bestimmungen zu den fremden Bettlern. Andere Artikel der großen Ordnung werden zusammen-
gefaßt. Neu in der für den Aushang bestimmten Fassung ist vor allem der Hinweis auf den verdienstlichen
Charakter der mildtätigen Gabe für den Nächsten und die Belohnung dieser Tat im Jüngsten Gericht. Um
einen Vergleich zu ermöglichen, werden hier zunächst die Nummern des nach dem 1. Oktober 1523 veröf-
fentlichten Auszugs und dann kursiv die Nummern der ausführlichen Ordnung vom 4. August 1523 aufge-
listet: Nr. 1 - Nr. 1, Nr. 21, Nr. 26, Nr. 29 // Nr. 2 - Nr. 24 // Nr. 3 - Nr. 21 // Nr. 4 - Nr. 17 // Nr. 5 -
Nr. 23 // Nr. 6 - Nr. 35 // Nr. 7 - Nr. 37 // Nr. 8 - *** // Nr. 9 - Nr. 34 // Nr. 10 - Nr. 2, Nr. 3, Nr. h //
Nr. 11 - Nr. 35 // Nr. 12 - Nr. 39 // Nr. 13 - Nr. 10, Nr. 11, Nr. 12 // Nr. 14 - Nr. 20 // Nr. 15 - Nr. 20.
59 Vgl. Franz Ehrle, Die Armenordnungen von Nürn-
berg (1522) und Ypern (1525), in: HJ 9 (1888),
S. 450-479; Kreiker, Armut, S. 41f.; Otto Winckel-
mann, Die Armenordnungen von Nürnberg, Kitzingen,
Regensburg und Ypern, in: ARG 10 (1913), S. 242-280.
60 Siehe Brant, Annalen, Nr. 4456: Kurz und lang wie
angesetzt verlesen: Erkannt den langen üßzug uff ein bogen
drucken und uffschlagen.
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