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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Dörner, Gerald [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 1. Teilband): Straßburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30661#0048
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Straßburg

2. Mandat zur Predigt des Evangeliums, 1. Dezember 1523 (Text S. 118)
Als erste Verkündiger lutherischer Ideen in Straßburg gelten der Pfarrverweser an Alt St. Peter, Peter
Philipp Meiger, und der Lesemeister der Karmeliter Tilmann von Lynn61. Vor allem aber die Predigten von
Matthäus Zeli verschafften der neuen Bewegung seit dem Herbst 1521 großen Rückhalt in der Bevölke-
rung. Vom Nürnberger Reichstag aus beschwerte sich Bischof Wilhelm von Honstein Anfang des Jahres
1522 beim Straßburger Domkapitel über Zells Wirken. Da das Domkapitel aber eine Einmischung des
Bischofs in seine Angelegenheiten fürchtete, blieb Zell zunächst unbehelligt62. Bald erfreute sich dieser eines
solchen Zulaufs, daß seine Predigten aus der zu klein gewordenen Laurentiuskapelle in das Schiff des
Münsters verlegt werden mußten63. Im August 1522 beklagte sich der Bischof in einem Schreiben beim
Straßburger Magistrat über die fehlende Durchsetzung des Wormser Edikts: Es werde durch ußlegung der h.
Evangelii und der götlichen Geschrift ein irrung erweckt, dardurch der h. christglauben zertrennt und in abfall
kompt. Der Stadt warf er vor, die Geistlichen seiner Obrigkeit zu entziehen. In ihrer Antwort betonten die
Ratsherren, den Bischof nicht an der Ausübung seiner Pflicht behindern zu wollen, forderten ihn aber
zugleich auf, die Pfarreien in Zukunft mit frommen und gelehrten Priestern zu versehen, die das h. Evan-
gelium und die ler Gottes und der Apostel verkunden und nit von irem gytz und eigenem nutz sagen64. Am
20. Dezember 1522 ließ der Bischof Zell vor seinen Vikar Jakob Gottesheim laden; der Ladung beigefügt
war ein Katalog mit 24 Anklagepunkten. Zell wies die Anschuldigungen in seiner 1523 bei Wolfgang Köpfel
gedruckten Schrift „Christliche Verantwortung“ (VD 16, Z 351) zurück65.
Der Magistrat stellte sich hinter Zell und bat das Domkapitel, diesen auf seiner Stelle zu belassen und
ihm das Predigen auch weiterhin zu gestatten. Zu Zell entsandte er Verordnete, die ihn aufforderten,
unnütze theding und stempeneien zu vermeiden. Von der Kanzel solle er nichts anderst dann Gotteswort und der
h. Evangelisten und Aposteln Ler und Geschrift [...] verkündigen. Zugleich beschlossen die Ratsherren, alle
Geistlichen entsprechend zu ermahnen, ir schentzeln, unnütz und uffrürisch gesprech zu unterlassen und nur
zu predigen, was dem h. Evangelio und der göttlichen Geschrifft gemäß und zu fryden und einigkeit dienst-
lich66.
Am 6. März 1523 erging auf der Grundlage des Nürnberger Reichstagsabschieds ein Mandat des Reichs-
regiments, welches das Predigen bis zur Einberufung eines Konzils zu reglementieren suchte67. Vier Tage
später wandte sich der Bischof in einem Schreiben an den Straßburger Rat und forderte die umgehende
Beurlaubung Zells: Aufgabe des Priesters sei das Beichtehören und die Versehung der Kranken und Ster-
benden, nicht aber das Lehren des reinen Gotteswortes68. Trotz der Unterstützung durch den Magistrat
enthob das Straßburger Domkapitel auf Drängen Wilhelm von Honsteins Zell seines Amtes und berief an
seiner Stelle den Pfarrer von St. Stephan Symphorian Pollio (Altbiesser) zum Prediger. Gegen diese Maß-
nahme beschlossen der Rat und die XXI in ihrer Sitzung vom 14. März beim Bischof und beim Domkapitel

61 Vgl. Chrisman, Strasbourg, S. 99f.; Lienhard,
Réforme, S. 368; Marc lienhard/Jean rott, Die
Anfänge der evangelischen Predigt in Straßburg und ihr
erstes Manifest: der Aufruf des Karmeliterlesemeisters
Tilman von Lyn, in: Lienhard, Temps, S. 55-73.
62 Vgl. Chrisman, Strasbourg, S. 100f.
63 Brant, Annalen, Nr. 4408.
64 Ebd., Nr. 4410.
65 Eine ausführliche Paraphrase der Anklage und der Erwi-
derung Zells findet sich in Adam, Kirchengeschichte
Straßburg, S. 35-41.
66 Brant, Annalen, Nr. 4417.
67 Das Mandat vom 6. März 1523 ist ediert in RTA JR 3,
Nr. 84, S. 447-452 (Zitat S. 450), der vorausgegangene

Abschied ebd., Nr. 117, S. 736-759 (zur Predigt
S. 747f.): das mit allen predigern füglicher und zimlicher
weise geredt und gehandelt werde, in iren predigen zu ver-
meiden, was zu bewegung ungehorsam, uneinigkeit und
aufrur im heiligen reich oder die christenmenschen in
irrung zu füren ursach geben möge, sünder das si allein das
heilig evangelium nach auslegung der schriften von der hei-
ligen christenlichen kirchen approbiert und angenomen, wie
vorgemelt zu predigen und zu leren, und was unnütz, dis-
putierlich sachen weren, sich dieselben zu predigen und zu
leren enthalten.
68 Wiedergabe des Briefes von Bischof Honstein in Chris-
man, Strasbourg, S. 106f.

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