Einleitung
offiziell zu protestieren. Zugleich erwog man für den Fall, daß der Protest ohne Wirkung bleiben sollte, Zell
auf Kosten der Bürgerschaft zu unterhalten, biß das er mit der göttlichen warheit und geschrifft abgetriben
[widerlegt] werde69. Das Schreiben an den Bischof zeigte jedoch Wirkung; Wilhelm von Honstein erklärte
sich bereit, Zell noch ein Jahr in seinem Amt zu belassen70.
Die Situation in Straßburg spitzte sich seit dem Frühjahr 1523 zu. Die Versuche des Magistrats, die
Erregung innerhalb der Bevölkerung zu mildern, blieben weitgehend ohne Wirkung, nicht zuletzt auch, weil
die Verbote, von den Kanzeln zu schentzeln, von beiden Seiten mißachtet wurden. Am 21. September 1523
forderten Zell und Capito vom Magistrat, zur Klärung der offenen Fragen ein Gespräch zwischen ihnen und
ihren Gegnern einzuberufen. Vorbild dürfte hierbei die vom Zürcher Rat einberufene erste Zürcher Dispu-
tation gewesen sein, die der Zwinglischen Reformation in der Limmatstadt zum Durchbruch verholfen
hatte71. Der vom Straßburger Magistrat konsultierte Bischof verbot ein solches Gespräch jedoch, wobei er
auf das Mandat des Reichsregiments vom 6. März verwies72. Am 14. November 1523 beriet der Magistrat,
was zu tun sei, damit man einhellig und friedlich in der Statt by und mit einander wonen mag. Den Stiften
wurde geboten, auf ihre Priester einzuwirken, die unnotsamen, uffrürischen scheltworte zu unterlassen73. Vier
Tage später, am 18. November, legte eine vom Rat und den XXI mit dem Entwurf eines Schreibens an die
Schöffen und Zünfte beauftragte Kommission ihren Bedacht vor: Angesichts der Drohungen gegen die
Priester (daß man den priestern durch die hüßer lauffen woll) schlugen die Kommissionsmitglieder vor, über
die Berufung und Absetzung der Pfarrer zu beraten, um den inzwischen laut gewordenen Forderungen nach
einer Beteiligung der Gemeinden zu begegnen. Die Prädikanten sollten ermahnt werden, dem Nürnberger
Mandat des Reichsregiments entsprechend alle aufrührerischen Reden zu unterlassen74. Am folgenden Tag
wurden die Verordneten mit dem Entwurf eines zur Vorlage bei den Schöffen und Zünften geeigneten
Mandats beauftragt75. In der Sitzung vom 28. November 1523 legte die Kommission dann ihren Entwurf
vor. Bei den von der Kommission benutzten Vorlagen handelt es sich neben der bereits zitierten Ordnung
des Reichsregiments um das vom Zürcher Kleinen und Großen Rat am 29. Januar 1523 nach der ersten
Zürcher Disputation erlassene Mandat sowie um die Erlasse der Stadt Worms vom 10. März 1523 und der
Stadt Basel vom Mai bzw. Juni 1523. Nicht ausdrücklich erwähnt ist im Straßburger Ratsprotokoll das
ebenfalls benutzte Berner Predigtmandat vom 15. Juni 152376.
Der Inhalt des Mandats wurde den Zünften und der Geistlichkeit noch am 29. November mitgeteilt".
Am 1. Dezember wurde es als Erlaß des Rates und der XXI in Plakatform veröffentlicht. Das Mandat
richtet sich sowohl an die Geistlichen als auch an die Gläubigen. Zum einen normiert es die Predigt: Von den
Kanzeln soll nur das Evangelium und die Lehre Gottes verkündigt werden sowie was zur Vermehrung der
Gottes- und Nächstenliebe dient. Zum anderen sucht das Mandat zu unterbinden, was Unruhe in der Stadt
verursachen kann: Es soll nichts gepredigt werden, was bei den Gläubigen Anstoß erregt oder diese in
Zweifel führt, vor allem aber, was Anlaß zum Ungehorsam gegenüber der Obrigkeit geben könnte.
69 Brant, Annalen, Nr. 4429.
70 Ebd., Nr. 4433.
71 Vgl. Bernd Moeller, Zu den städtischen Disputatio-
nen der frühen Reformation, in: FS für Martin Heckel,
Tübingen 1999, S. 179-195.
72 Brant, Annalen, Nr. 4455.
73 Ebd., Nr. 4461.
74 Ebd., Nr. 4462.
75 Ebd., Nr. 4463.
76 Vgl. Emil Egli (Hrsg.), Actensammlung zur
Geschichte der Zürcher Reformation in den Jahren
1519-1533, Zürich 1879, ND Aalen 1973, Nr. 327,
S. 114f.; Adalbert Becker, Beiträge zur Geschichte
der Frei- und Reichsstadt Worms und der daselbst seit
1527 errichteten höheren Schule, Worms 1880, S. 33ff.;
Emil Dürr (Hrsg.), Aktensammlung zur Geschichte
der Basler Reformation in den Jahren 1519 bis Anfang
1534, Bd. 1: 1519 bis Juni 1525, Basel 1921, Nr. 151,
S. 65-69; Rudolf Steck / Gustav Tobler (Hrsg.),
Aktensammlung zur Geschichte der Berner Reformation
1521-1532, Bd. 1, Bern 1923, Nr. 249, S. 65-69. Die von
der Kommission für die Formulierung der Straßburger
Ordnung benutzten Vorlagen liegen heute zusammen in
AMS 1 AST 96. Was jeweils aus den einzelnen Vorlagen
in das Straßburger Papier einfloß, ist in der Edition von
Moeller, Edit strasbourgeois, S. 57f. detailliert aufge-
schlüsselt.
77 Brant, Annalen, Nr. 4468.
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offiziell zu protestieren. Zugleich erwog man für den Fall, daß der Protest ohne Wirkung bleiben sollte, Zell
auf Kosten der Bürgerschaft zu unterhalten, biß das er mit der göttlichen warheit und geschrifft abgetriben
[widerlegt] werde69. Das Schreiben an den Bischof zeigte jedoch Wirkung; Wilhelm von Honstein erklärte
sich bereit, Zell noch ein Jahr in seinem Amt zu belassen70.
Die Situation in Straßburg spitzte sich seit dem Frühjahr 1523 zu. Die Versuche des Magistrats, die
Erregung innerhalb der Bevölkerung zu mildern, blieben weitgehend ohne Wirkung, nicht zuletzt auch, weil
die Verbote, von den Kanzeln zu schentzeln, von beiden Seiten mißachtet wurden. Am 21. September 1523
forderten Zell und Capito vom Magistrat, zur Klärung der offenen Fragen ein Gespräch zwischen ihnen und
ihren Gegnern einzuberufen. Vorbild dürfte hierbei die vom Zürcher Rat einberufene erste Zürcher Dispu-
tation gewesen sein, die der Zwinglischen Reformation in der Limmatstadt zum Durchbruch verholfen
hatte71. Der vom Straßburger Magistrat konsultierte Bischof verbot ein solches Gespräch jedoch, wobei er
auf das Mandat des Reichsregiments vom 6. März verwies72. Am 14. November 1523 beriet der Magistrat,
was zu tun sei, damit man einhellig und friedlich in der Statt by und mit einander wonen mag. Den Stiften
wurde geboten, auf ihre Priester einzuwirken, die unnotsamen, uffrürischen scheltworte zu unterlassen73. Vier
Tage später, am 18. November, legte eine vom Rat und den XXI mit dem Entwurf eines Schreibens an die
Schöffen und Zünfte beauftragte Kommission ihren Bedacht vor: Angesichts der Drohungen gegen die
Priester (daß man den priestern durch die hüßer lauffen woll) schlugen die Kommissionsmitglieder vor, über
die Berufung und Absetzung der Pfarrer zu beraten, um den inzwischen laut gewordenen Forderungen nach
einer Beteiligung der Gemeinden zu begegnen. Die Prädikanten sollten ermahnt werden, dem Nürnberger
Mandat des Reichsregiments entsprechend alle aufrührerischen Reden zu unterlassen74. Am folgenden Tag
wurden die Verordneten mit dem Entwurf eines zur Vorlage bei den Schöffen und Zünften geeigneten
Mandats beauftragt75. In der Sitzung vom 28. November 1523 legte die Kommission dann ihren Entwurf
vor. Bei den von der Kommission benutzten Vorlagen handelt es sich neben der bereits zitierten Ordnung
des Reichsregiments um das vom Zürcher Kleinen und Großen Rat am 29. Januar 1523 nach der ersten
Zürcher Disputation erlassene Mandat sowie um die Erlasse der Stadt Worms vom 10. März 1523 und der
Stadt Basel vom Mai bzw. Juni 1523. Nicht ausdrücklich erwähnt ist im Straßburger Ratsprotokoll das
ebenfalls benutzte Berner Predigtmandat vom 15. Juni 152376.
Der Inhalt des Mandats wurde den Zünften und der Geistlichkeit noch am 29. November mitgeteilt".
Am 1. Dezember wurde es als Erlaß des Rates und der XXI in Plakatform veröffentlicht. Das Mandat
richtet sich sowohl an die Geistlichen als auch an die Gläubigen. Zum einen normiert es die Predigt: Von den
Kanzeln soll nur das Evangelium und die Lehre Gottes verkündigt werden sowie was zur Vermehrung der
Gottes- und Nächstenliebe dient. Zum anderen sucht das Mandat zu unterbinden, was Unruhe in der Stadt
verursachen kann: Es soll nichts gepredigt werden, was bei den Gläubigen Anstoß erregt oder diese in
Zweifel führt, vor allem aber, was Anlaß zum Ungehorsam gegenüber der Obrigkeit geben könnte.
69 Brant, Annalen, Nr. 4429.
70 Ebd., Nr. 4433.
71 Vgl. Bernd Moeller, Zu den städtischen Disputatio-
nen der frühen Reformation, in: FS für Martin Heckel,
Tübingen 1999, S. 179-195.
72 Brant, Annalen, Nr. 4455.
73 Ebd., Nr. 4461.
74 Ebd., Nr. 4462.
75 Ebd., Nr. 4463.
76 Vgl. Emil Egli (Hrsg.), Actensammlung zur
Geschichte der Zürcher Reformation in den Jahren
1519-1533, Zürich 1879, ND Aalen 1973, Nr. 327,
S. 114f.; Adalbert Becker, Beiträge zur Geschichte
der Frei- und Reichsstadt Worms und der daselbst seit
1527 errichteten höheren Schule, Worms 1880, S. 33ff.;
Emil Dürr (Hrsg.), Aktensammlung zur Geschichte
der Basler Reformation in den Jahren 1519 bis Anfang
1534, Bd. 1: 1519 bis Juni 1525, Basel 1921, Nr. 151,
S. 65-69; Rudolf Steck / Gustav Tobler (Hrsg.),
Aktensammlung zur Geschichte der Berner Reformation
1521-1532, Bd. 1, Bern 1923, Nr. 249, S. 65-69. Die von
der Kommission für die Formulierung der Straßburger
Ordnung benutzten Vorlagen liegen heute zusammen in
AMS 1 AST 96. Was jeweils aus den einzelnen Vorlagen
in das Straßburger Papier einfloß, ist in der Edition von
Moeller, Edit strasbourgeois, S. 57f. detailliert aufge-
schlüsselt.
77 Brant, Annalen, Nr. 4468.
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