Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 1. Teilband): Straßburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30661#0396
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Straßburg

uns gestorben ist, da wir noch sünder waren. So wer-
den wir vil mer durch in behalten für dem zorn,
nach dem wir durch sein blut gerecht worden sindt.
Also lehrne ein yeder christ von Gott gedencken, wie
er sich selb in Christo Jesu und seinem wort hat
offenbaret; so werden solche ferliche und deufflische
gedancken außbleiben, die sonst kommen, wo man
an die fürsehung ausser Christo und dem wort, nach
dem uns gedunckt51, dencken will.
Was mag es aber für ein meinung mit dem spruch
Christi haben: Vil sind beruffen unnd wenig auß-
erwölet?52 Das vil beruffen sindt, ist anders nichts,
denn das das evangelion jederman wird fürtragen
unnd Gottes gnad wird |26| jedermanc angebotten.
Aber da finden sich leut, die das wort nit annemen.
Sie verfolgens wie die papisten oder verachtens wie
die bösen christen, welchen mehr an gelt unnd gut
gelegen ist, leben derhalb in sünden, begern sich nit
zubessern, man vermane, sage, predig, was man wöl-
le. Solche leut sind nit erwölet, das ist, Gott hatt
kein gefallen an inen. Denn sein will und meinung
ist diese: Das man nit gottloß sein, sonder in förch-
ten, an Christum glauben unnd die bösen lüste und
sünde drucken53 und tödten soll. Darumb begerestu,
das du außerwölet mögest sein, so höre das evange-
lion, bitt Gott umb seinen heiligen geyst, übe dich in
guten wercken unnd meyde das böse. Bistu gefallen,
stehe wider auff, bitt umb gnad unnd hoffe durch
Christum gnad. Und zweifel ja nit, du bist erwölet,
das ist, Gott hat sein gefallen an dir unnd will dich,
wie du glaubest, umb Christi, seines sons, willen,
ewig seligmachen.
Von gutten wercken
Da muß man erstlich wissen, gute werck sind nur
diese, die Gott in seinem wort foddert54 |27| und ha-
ben will, und nicht jehne, so die menschen on Gottes
c Gestr.: wird für.
51 Nach unserem Bedünken, s. FWb 6, Sp. 396.
52 Mt 22,14 (s. Anm. 37).
53 Unterdrücken.
54 Zur Form fod(d)ern für fordern s. Grimm, DWb 3,
Sp. 1866.

wortt auß eygner andacht fürnehmen, als das ein
münch in ein kloster laufft oder ein pfaff meß helt,
denn solches hat Gott nirgendt befolhen. Solcher ge-
horsam nun, welcher durch hilff des heyligen geystes
die leysten, so durch den glauben an Christum sindt
gerechtfertiget, ist noch nicht gar55 reyn und vol-
kommen. Ursach: Es bleibt noch in den heiligen
fleysch und blut, das ist noch nicht gar tod und be-
gert sich56 ymmerdar unnd will ein anderen weg, den
Gottes gesetz heysset. Wie Paulus sagt: Ich sihe ein
annder gesetz in meinen glidern, das da widerstrey-
tet dem gesetz in meinem gemüt und nimpt mich
gefangen inn der sünden gesetz, welches ist in mei-
nen glidern57. Deshalb haben auch die heyligen ym-
merdar mit zuthun, das sie dem fleisch weren und es
tödten, das ist, im nit nach hengen, sonder die bösen
lüste brechen und dempffen, unnd es je der herr im
Vatter unser lehret stetigs betten: Vergib uns unsere
schuld. Unnd nit einfüre uns inn versuchung58. |28|
Solchs machet nun, das der gehorsam auch in den
heyligen nit gar reyn unnd volkommen kan sein,
und dennoch will Gott denselben unvolkommenen
gehorsam im gefallen lassen umb des glaubens wil-
len an Christum. Denn durch denselben wirdt das
vergebenn und nachgelassen, welchs uns noch man-
gelt und den gehorsam hindert, das er nit gar reyn
und volkommen kan sein. Und solchs ist das für-
nempste stück, das einen christen zu gutten wercken
oder ernstem gehorsam gegen Gottes wort sol trey-
ben, sintemal wir wissen, das Gott solches nicht al-
lein fordert und haben will, sonnder er will es im
auch gefallen lassen unnd für ein gottesdienst an-
nemen unnd endtlich in jehnem leben belonen, wie
Mathei am XXV. [31-46] stehet, das Christus am
Jüngsten tage solchen gehorsam oder gutte werck
rhümen wölle für seinem vatter, für allen englen und
allen christenn.

55 Gänzlich.
56 Sich begeren = wünschen, s. Grimm, DWb 1, Sp. 1289.
57 Röm 7,23.
58 Mt 6,12-13.

380
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften