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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Dörner, Gerald [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 1. Teilband): Straßburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30661#0423
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38. Kirchenordnung von Johannes Marbach

allen ihren krefften ist dermassen verderbt, daß
nichts in ihm zubefinden, das da könndte oder
möchte Gottes zorn entgegen gehallten werden. So
ist auch alle creatur viel zu gering und klein-
fug228, |129| zutragen unnd wegzunemmen den
schweren last der sunden unnd die straff Gottes wi-
der die sundt. Und ist derhalbenn khein anndere
hilff noch rettung inn der gantzen weiten wellt zu-
findenn dan allein bei dem einigen mittler zwuschen
Gott und dem menschen, unnserem herrenn Jhesu
Christo229, der da ist das ware gotteslamb, das der
welt sunde tregt230. Der hatt sich unnsers jamers er-
barmet unnd hatt den kellter, wie der prophet sagt,
allein getretten unnd khein frembder mit ihm231.
Er hatt aber die erlösung deß menschlichenn ge-
schlechts furnemlich durch dreierlei mittel erlanngt
unnd zuwegen bracht: Zum ersten durch sein seelige
menschwerdung unnd geburt, das er inn unnser
fleisch kommen unnd menschliche natur an sich ge-
nommen hatt232. Dann, wie Paulus sagt, das dem
gesetz unmuglich war, seitemal es durch daß fleisch
geschwecht wardt, das that Gott unnd sanndt sei-
nen son inn der gestallt deß sundtlichen fleischs
unnd verdampt die sundt im fleisch durch sund, uff
das die gerechtigkheit, im gesetz erfordert, inn uns
erfullet wurde233. Zum annderen durch |130| seinen
cvolkomnen gehorsam, den er im fleisch seinemc
himlischen vatter geleistet hatt, das er sich selbs
und freiwillig unnder das gesetz gethon und dasje-
nig, so uns unmuglich war zuleisten, selber erfullet
hatt, nach dem spruch deß heiligen Pauli: Da die
zeit erfullet war, sanndte Gott seinen sonn, geboren
von einem weib unnd under das gesetz gethon, uff
das er die, so unnder dem gesetz warenn, erlößte
unnd wir die kindtschafft empfiengenn234. Zum drit-
ten durch seinen unnschuldigen todt, herrliche uff-
erstehung und himmelfart, daß er sich ernidriget
unnd seinem himlischen vatter biß in den todt ge-

c-c Erg. am Rand.
d Gestr.: mittel.
228 Klein, geringfügig, s. Grimm, DWb 11, Sp. 1107f.
229 1Tim 2,5.
230 Joh 1,29.
231 Jes 63,3.

horsame wordenn235 unnd sich selber zur bezalung
fur unsere sundt am stammen des h. creutzes hatt
uffgeopffert236, dadurch den zorn Gottes gestillet
unnd versunet und uns armen menschen göttliche
huldt unnd gnad erlangt, wie abermal der heilig
apostel spricht: Gott hatt Christum, der vonn khei-
ner sundt wußte, fur uns zur sundt gemacht, uff das
wir wurden in ihm die gerechtigkheit, die vor Gott
gillt237, unnd zun Röm. am 4. cap. [25]: Christus ist
umb unser sunde wüllen dahin gegebenn unnd umb
|131| unnser gerechtigkheit willen ufferwecket. Und
daß ist das annder stuck, ja, eben daß fundament
unnsers heils, uff das wir allein mußen gegrundet
und erbawet sein durch den glauben, wie ihr den ein
solches gelerdt sindt uß den articklen unnsers h. all-
gemeinen christlichen Glaubens.
Das dritt stuck, so weiter dem menschen zuwissen
von nöten, sindt die mittel, dardurch im solche er-
lanngted unnd erworbene hilff und erlösung zuge-
stellet, mitgetheilet unnd fur eigen geschenckt unnd
geben wordenn. Den obwol vor 1500 unnd mehr ja-
ren der herr Christus einmal solches großes heil hatt
zu gutt dem gantzen menschlichen geschlecht erlan-
get unnd zuwegen gebracht, so muß doch gleich wol
ein jeder fur sein selbs eigne person im diesen schatz
und verdienst Christi zueignen unnd nutz machenn.
Das geschicht nun allein in der christlichen kir-
chenn, welcher sollcher schatz von Christo selber
vertrawet unnd befolhenn, den ußerthalb der selbi-
gen ist khein Gott, kein heil, kein |132| erlösung, we-
der von sunden noch todt, teuffel oder hell, in himel
noch uff erdenn.
Wir heissen aber die christlichen kirchenn ei-
gentlich nit stein und holtz, sonnder ein hauffen
unnd versamlung solcher leuth, die da der reinen
lehr deß evangelii glaubenn unnd rechten gebrauch
der sacrament habenn, in welcher versamlung der

232 Vgl. Phil 2,6-7.
233 Röm 8,3-4.
234 Gal 4,4-5.
235 Vgl. Phil 2,8.
236 Vgl. 1Petr 2,24.
237 2Kor 5,21.

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