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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 1. Teilband): Straßburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30661#0453
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38. Kirchenordnung von Johannes Marbach

unnd gevattern449 der kinder halber bei dem h. tauff
dem herrn Christo und seiner lieben kirchen offent-
lich zugesagt unnd versprochen450, auch das kein an-
der mittel, gehorsame kinder und getrewe ehehalten
zubekommen, an denen man mit der zeit ehr unndt
freud erlebe, den so sie im catechismo, das ist, in den
fürnempsten stücken rechter, reiner, ehrlicher lehr,
wol erübt sindt, daruß die forcht Gottes, ein anfang
der weißheit451 unnd alles guten, ihren ursprung
unnd herkommen hat.
Dieweil es aber die erfarung bezeugt, was grosse ver-
hinderung und nochteil es bißher in unsern kirchen
bei der jugendt gebracht hat die ungleicheit des ca-
techismi, das schier ein jeder pfarher seinem gut-
duncken nach im einen eignen catechismum gestelt
unnd uff sondere weiß unnd form, anderst den in
andern kirchen breuchlich, denselbigen seinen cate-
chismum mit den kinder geübet, solchen un-
rath452 und ubelstandt hinfürter zubegegnen, so wil
von nötten sein, das in allen kirchen, in unnd
außertalb der stat, ein gemeiner catechismus ange-
nomen und dann auch uff einerley weiß unnd form
mit der jugent gehalten werde.
Wiewol aber viel gutter und christlicher catechis-
|254| mi von vielen gelertenn mennern zu dieser zeit
gestelt und beschriben453 worden, under welchen un-
serer lieben getreuwen vorfaren unnd vettern454,
herr Martini Buceri455, doctors Capitonis456 und
M. Matthei Zellii catechismi457 auch billich sollen
gezelet werden, jedoch, dieweil dieselbigen lang
unnd weutleuffig beschriben, mit vielen fragen, hats

449 Paten.
450 Siehe oben S. 392f.
451 Vgl. Ps 111,10; Spr 1,7.
452 Schaden.
453 Verfaßt, s. FWb 3, Sp. 1746.
454 Väter.
455 Zu den Katechismen Martin Bucers vgl. die bibliogra-
phischen Nachweise in der Einleitung zu Nr. 8, S. 43f.,
Anm. 164-166.
456 In diesem Band Nr. 8.
457 Zu den Katechismen von Matthäus Zell s. die Nachweise
in der Einleitung zu Nr. 8, S. 44, Anm. 167.
458 Wirkung.
459 BSLK, S. 499-541.

das werck458 bewisen, das solche catechismi der ju-
gendt zu fassenn unnd zu behalten dem merern theil
unmüglich gewesen ist. Derenhalben haben wir an
die handt genomen unnd erwölet doctor Martin Lu-
thers Kleinen Catechismum459, der da kurtz unnd
ser verstendtlich für die jugendt gestellet ist. Unnd
noch dem nu von vilen jaren her unser kirch einer
anderen abtheilung460 der Zehen Gebott gewonet ist
den in des Lutheri catechismo mit den zweyen letz-
ten gebotten461, damit den alt und jung nit irr ge-
macht, haben wir unsere abteilungen behalten unnd
demnach das sechste stuck vom Gewalt der schleus-
sel und der christenlichen bußzucht sampt der
Haußtaffel hinzugesetzt, welches in des Lutheri
catechismo unsers erachtens nit so ußtruckenlich
vermeldt ist. |255|
Welcher gestalt der catechismus uff die Sontag
in der kirchen soll gehalten werden
Uff die Sontag nach mittag soll ein jeder pfarher in
unnd ußertalb der stat gut acht nemen, welche zeitt
seiner kirchen wölle am gelegnisten sein, gleich uff
das mittag essen oder etwas später gegen dem
abendt, zu deren er das volck in die kinder predig
zukomen bescheide. In der stat von wegen der mit-
tag predig zun Predigern462 wil sichs nit wol vor 1
oder 2 ur schicken. Uff dem land mags am bequem-
sten sein den winter umb 12 ur, im sommer aber
umb 11 ur, den später zerlaufft das volck und sucht
die leiblichen ergetzlikeit463, das kümerlichen unnd
mit müe in die kirchen zu bringen ist.

460 Aufteilung.
461 Straßburg folgte der reformierten Form der Zählung der
Gebote, d.h. es hatte das Bilderverbot als zweites Gebot,
den Mißbrauch des Gottesnamens als drittes Gebot; da-
für wurden dann das nach lutherischer Zählung neunte
und zehnte Gebot zusammengefaßt. Vgl. dazu ausführ-
lich Nr. 61, S. 580 mit Anm. 176.
462 Wegen der Beanspruchung des Münsters für den katho-
lischen Kultus aufgrund des Interims waren die Mittags-
predigten vom Münster in die Kirche des ehemaligen
Predigerklosters verlegt worden.
463 Belohnung, Vergnügen, s. Lexer 1, Sp. 630 und Nach-
trag.

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