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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 1. Teilband): Straßburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30661#0529
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53. Gottesdienstordnung

[1.] Ubung und form der predigten
So viel die predigten anlangt, geschicht in allen kir-
chen alle morgenb, beyde am Sontag und wercktag,
ein fruegebett, do der kirchen diener zum ersten
nach außgeluttem zeichen das volck zum gebett ver-
mant, verlieset darauff eine lection entweder auß
dem Newen oder Alten Testament, sonderlich auß
den lehrbüchern, welche die pfarrer und helffer zum
rathsambsten erkennen, darauß hernach eine ver-
manung geschicht zur gottesforcht und zu andern
christlichen tugenden, auff eine halbe stund lang
und nicht lenger, cohn einig gesangc. Darauff be-
schleust man die vermanung mit dem morgenge-
bett:
Allmechtiger Gott, himlischer vatter, wir armen
sunder sagen dir ewigen lob und danck fur alle deine
große güte, gnade und barmhertzigkeit, so du uns
armen menschen die zeit unsers gantzen lebens von
unser jugend an bewiesen und erzeiget hast, sonder-
lich aber, das du uns diese nacht fur allem schaden
und gefehr so vätterlich und gnediglich behuetet und
bewaret hast, und bitten dich, du wöllest uns alle
unsere sunde und missethat, waß wir je wieder deine
heylige gebott miß- |246r| handlet, gnediglich verzie-
hen und vergeben und unser hertz und gemütt mit
erkentnuß der warheit erleuchten und uns deinen
heyligen gutten geist verlichen, der uns regiere, füre
und leitte auff deinen wegen, auff das wir im gehor-
sam deiner gebotten allezeit wandlen und als frucht-
bare, lebendige glieder deiner gemeinde in unserm
ampt und beruff trew und vleissig befunden werden.
Wöllest uns auch heutte diesen tag und allwege
weytter in deinem schutz und schirm auffnemen und
in deiner forcht und erkantnuß erhalten, auch fur
sund, schand und allem andern unrath10 gnediglich
behueten und gnade verliehen, domit wir ein züch-
tiges, erbares und gottseligs leben mit einander füren
b Gestr.: ein fruegebett.
c-c Korr. aus: doch ohne gesang.
d Gestr.: einig.
e Gestr.: do sie entweder die evangelia oder besondere text
pro tempore erkleren.
f Korr. aus: erstlich.
10 Schaden, Unheil., s. Grimm, DWb 24, Sp. 1230f.

und all unser thun und lassen richten zu lob, ehr und
preiß deines heyligen namens, und das es endlich die-
ne zu unserm ewigen heil und seligkeit, dan wir be-
fehlen uns, unser leib und seele, unsere liebe oberkait
und deine gantze christenheit sampt allen, so von
wegen deines heyligen worts hin und wieder verfol-
get werden, in deine hende. Deine h. Engel seyen mit
uns allen, das der böse feind keine macht an uns fin-
de, durch Jesum Christum, deinem lieben sohn, un-
sern herren und heyland, Amen11.
Vatter unser, der du bist im himmel12 etc. Und
also wird das fruegebett beschlossen. |246v|
Sonst geschehen im Münster alle tage zwo predig-
ten, eine zu 8 uhren vor mittag, die ander zu abend,
sommers zeit zu 4, winters zeit zu 3 uhren, do
entweder auß dem Alten oder Newen Testament
ettliche gewisse bücher der ordnung nach erkleret
werden. Auff die Sontage werden im Münster vier
predigt gehalten: Erstlich die fruepredigt, summers
zeit zu 5 uhren, winters zeit zu 6 uhren, hernacher
die amptpredigt13 zu 7 oder 8 uhren, darauff die mit-
tagspredigt zu 11 oder 12 uhren und dan die abend-
predigt, winters zeit zu 3 uhren, sommers zeit zu
4 uhren. In den andern pfarren, deren sonst noch
sechs sind14, werden alle Sontage zwo predigten ge-
halten, die fruepredigt und amptpredigt, gleich wie
im Munster. Die fruepredigt halten die diaconi oder
helffer in gegenwart des gesinds ohned gesang, do sie
dan die sontägliche evangelie kurtz sollen erkleren.
Die ampt predigt halten die pfarrer6.
Im Munster haltet man alle Sontag das nachtmal,
in den andern pfarren aber je zu vierzehn tagen oder
zu vier wochen, nach dem es die gelegenheit mag
leyden. Vor der predigt singt man gewohnlich zwey-
mal, entwederf doctor Luthers psalmen15 oder an-
dere geistliche lieder nach gelegenheit der zeit. |247r|
11 Das Gebet nimmt verschiedene Formulierungen aus Lu-
thers Morgensegen (BSLK, S. 521) auf.
12 Mt 6,9-13.
13 Hauptgottesdienst.
14 Zu den Pfarreien der Stadt Straßburg s. die Einleitung
S. 28f.
15 Es handelt sich um folgende Psalmenlieder Luthers; die
im Straßburger Gesangbuch zusammenstehen: Ach

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