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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 1. Teilband): Straßburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30661#0537
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55. Zwei Ordnungen für die Kirchenpfleger

55. Zwei Ordnungen für die Kirchenpfleger der Gemeinden der Straßburger
Landschafta
23. April 1582

[1.] Ordnung der kirchenpfleger auf dem lande

Es sollen die kirchenpfleger auf dem lande mit der
ordnung, wie bißher brauchlich gewesen, erwehlet
und, damit sie wißen mögen, was ir ampt seie, inen
järlich in der kirchenvisitation1 folgende puncten
furgehalten und auferlegt werden:
Erstlich, das sie neben dem schultheiß und gericht
auf ire mitburger und nachbarn vleißige achtung
sollen geben, das sie auf die Sontag sich und ire
knecht und gesind zur predig schicken und zur zeit
der predig niemand sich an der gassen, auf den
kirchhöfen, unter den lauben, in den wirtsheusern
oder anderstwo finden laße, noch vil weniger zeche,
spiele, dantze oder andere leichtfertigkeiten treibe,
oder auch zu solcher zeit der predig gericht oder ge-
mein halten2.
Furs ander sollen sie auch den pfarrern in übung des
catechismi mit der jugend behilflichb und derowe-
gen, wann der pfarrer den catechismum halt3, zum
wenigsten iren einer in der kirchen sein, der do helfe
die kinder in der zucht erhalten oder, wa es die not-
turft und menge der kinder erfordert, auch selbs
verhören4.

a Textvorlage (Handschrift): AMS 1 AST 79, Nr. 71 und
Nr. 72. Beide Ordnungen sind von der gleichen Hand ge-
schrieben worden. Auf Nr. 71 findet sich der Eintrag:
Lectum bey rhät und XXI, Montag, den 23. Aprilis
1582.
b Gestr.: sein.
1 Zu den Visitationen der Landgemeinden vgl. die Bestim-
mungen in der Kirchenordnung von 1534 (Nr. 17;
S. 243f.) sowie die späteren Regelungen in den drei un-
gedruckten Visitationsordnungen von ca. 1597 in AMS
1 AST 84, Nr. 115 (Bl. 725r-728r) und in der Kirchen-
ordnung von 1598 (Nr. 61, S. 688-694).
2 Vgl. Nr. 17, S. 244: Dann uff die Sontag pflegen eben vil
die zeit, so man prediget, uff den kirchhöffen, under den
lauben, an anderen pletzen, in würtsheüseren unnd sunst zu

Zum dritten, wann unter der gemeine ärgerliche sa-
chen furgehn, also das der pfarrer fur notwendig
achtet, jemand insonderheit zubeschicken5, sollen
sie auch unbeschwert sein, dem pfarrer die hand zu-
bieten, damit solche sonderliche brüderliche erma-
nung und straf mit desto mehrem ernst und nutz zu
aufbawung des nechsten abgehe6.
Nota
In der kirchenordnung, anno 1534 ausgangen, wird
unter anderm den visitatorn befolhen, das sie auch
die rechnung der kirchengeschwornen besehen sol-
len, wie das kirchen- oder heiligengut gebraucht
würt, und auch verschaffen, das es christlich, das
ist, auf die arme, gewendet werde7. Auf diesen punc-
ten were dieser zeit desto vleißiger achtung zu ge-
ben, weil fast in allen dörfern bei der visitation ein
unmäßiges zehren, auch wann die visitatores schon
hinweg sind, getrieben8 und dadurch nit allein das
heiligen gut übel angewendet, sonder auch den be-
nachbarten papisten ein großes ergerniß gegeben
wird9.

stehn unnd sitzen. [...] An etlichen orten die Schultheyß zur
zeit der predig gericht und gemeyn halten.
3 Zum Katechismus und Katechismusuntericht s. Nr. 61,
S. 614-631 und S. 690f.
4 Abhören, s. Grimm, DWb 25, Sp. 581f. Zur Hilfelei-
stung der Kirchenpfleger und Küster beim Unterricht s.
Nr. 61, S. 691.
5 Vorzuladen, s. FWb 3, Sp. 1675.
6 Vgl. Nr. 61, S. 691.
7 Siehe Nr. 17, S. 243f. (dort findet sich in Anm. 84 auch
eine Erläuterung des Begriffs kirchengeschworner).
8 Vgl. Nr. 61, S. 694: Und wir deßhalben alles Nachzehren,
so an etlichen Orten nach der verordneten Visitatorum ab-
reisen weiter gebrauchet, ernstlich wollen verbotten haben.
9 Hier: ein schlimmes Bild geboten wird.

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