Einleitung
4. Verbot der konkubinarischen Verbindungen, 15. März 1525 (Text S. 165)
Das Konkubinat von Geistlichen gehörte zu den bevorzugten Motiven der Kritik an Kirche und Klerus vor
der Reformation100. Von den Reformatoren wurde mit Hinweis auf die Hl. Schrift der Zölibat kritisiert und
dabei auch auf die verderbliche Wirkung der konkubinarischen Verbindungen auf die Gläubigen hingewie-
sen101. In Straßburg waren es vor allem die Predigten des Lesemeisters der Karmeliter Tilmann von Lynn
und des als „Karsthans“ auftretenden Hans Maurer, gen. Zündauff, in welchen der Zölibat in Frage gestellt
und für die Priesterehe geworben wurde102.
Schon bald nach Beginn der Reformation kam es zu Eheschließungen von Weltgeistlichen und aus ihren
Klöstern ausgetretenen Mönchen und Nonnen. Zu diesen zählte auch Martin Bucer, der im Sommer 1522
die ehemalige Nonne Elisabeth Silbereisen geheiratet hatte. Im Februar bzw. März 1523 war er, damals
noch in Weißenburg tätig, durch den Speyerer Bischof exkommuniziert worden. Als Bucer im Mai 1523
nach Straßburg kam, zeigte er dem Straßburger Bischof seine Ehe an. Der Bischof untersagte ihm darauf-
hin jegliche priesterliche Tätigkeit; vom Magistrat forderte er, Bucer als exkommunizierten Priester der
Stadt zu verweisen103. Bucer reichte daraufhin beim Magistrat eine Verteidigungsschrift ein. In der „Ver-
antwortung ahn m[ine] H[erren] uff Episcopi Schreiben seiner persohn halben“ rechtfertigte er seine Ehe-
schließung: Da nur wenige die Gabe der Keuschheit besäßen, sei es nötig, um hurery zu vermyden, daß ein
yeklicher sin eygen wib, ein yekliche iren eygen man habe. Bucer verwies auf Petrus und die anderen Apostel,
die auf den Missionsreisen ihre Frauen mitgenommen hatten. Sie sind für ihn auch Beleg, daß die Ehe bei
der Ausübung eines geistlichen Amtes nicht hinderlich ist104.
Am 18. Oktober 1523 trat mit dem Kaplan des Domherrn Rudolf von Baden, Martin Enderlin, der erste
Priester in Straßburg in den Stand der Ehe. Während dies in der Stadt anscheinend wenig Beachtung fand,
sorgte die Verheiratung des Leutpriesters der Thomasgemeinde Anton Firn mit seiner Haushälterin für
erhebliche Verwicklungen zwischen dem Magistrat, der Kirchengemeinde und dem Kapitel des Thomas-
stifts. Matthäus Zell segnete das Brautpaar im Beisein einer großen Volksmenge am 9. November im
Münster ein. Seine aus diesem Anlaß gehaltene Predigt gab er kurz darauf bei Wolfgang Köpfel in den
Druck105. Das Kapitel des Thomasstifts enthob Firn mit Billigung der städtischen Führung seines Amtes.
Als Firn jedoch trotz mehrfacher Aufforderungen nicht aus seinem Amt weichen wollte und sich die Tho-
masgemeinde hinter ihn stellte106, kam es zu einem Stimmungsumschwung bei den Ratsherren. Da man
einen Streit mit der Gemeinde vermeiden wollte, drängte der Magistrat das Stiftskapitel, den Leutpriester
im Amt zu belassen107.
100 Vgl. z.B. die von Jakob Wimpfeling veröffentlichte
Schrift „De fide concubinarum in sacerdotes“.
101 Vgl. TRE 36, S. 729f. und Buckwalter, Priesterehe,
S.43-130.
102 Vgl. Buckwalter, Priesterehe, S. 223f.
103 Ebd., S. 227.
104 Bucer, Deutsche Schriften 1, S. 293-301. Nach persön-
lichen Angriffen in einer unter dem Titel „Schnapphan“
erschienenen Flugschrift veröffentlichte Bucer im
Herbst 1523 dann eine ausführliche „Verantwortung“,
ediert ebd., S. 149-184.
105 Matthäus Zell, Ein Collation auff die einfuerung M.
Anthonii [...] und Katherine seines eelichen gemahels,
Straßburg: Wolfgang Köpfel 1523 (VD 16, Z 354). Zell
verteidigte darin die Eheschließung Firns als Wieder-
bringung der rechten, von Gott eingesetzten Ordnung.
Obwohl es den beiden unbenommen gewesen sei, noch
gewonlichem gebrauch der geistlichen bey einander zu
wonen, wie sie es bislang ohne Widerspruch von anderen
getan hätten, seien sie nun durch das Evangelium unter-
richtet worden, wie schwere sünd es sey, in solicher hure-
rey zu leben. Zu dieser Schrift s. Buckwalter, Priester-
ehe, S.230-233.
106 Beide reichten eine Bittschrift ein, in welcher gegen
„Hurenpfaffen“ und „geile Pfaffen“ polemisiert wurde:
Den Kanonikern des Stifts wird unterstellt, lieber öffent-
liche Hurer in das Pfarramt einzusetzen als einen gottes-
fürchtigen Ehemann, damit die eigene sittliche Verwahr-
losung verborgen bleibt (Supplication des pfarrhers und
der pfarrkinder zu Sant Thoman eim ersamen Rath zu
Straßburg [...], Basel: Andreas Cratander 1524 [VD 16,
F 1124]).
107 Vgl. Brant, Annalen Nr. 4460, 4461, 4465, 4473, 4478,
4481 und 4483.
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4. Verbot der konkubinarischen Verbindungen, 15. März 1525 (Text S. 165)
Das Konkubinat von Geistlichen gehörte zu den bevorzugten Motiven der Kritik an Kirche und Klerus vor
der Reformation100. Von den Reformatoren wurde mit Hinweis auf die Hl. Schrift der Zölibat kritisiert und
dabei auch auf die verderbliche Wirkung der konkubinarischen Verbindungen auf die Gläubigen hingewie-
sen101. In Straßburg waren es vor allem die Predigten des Lesemeisters der Karmeliter Tilmann von Lynn
und des als „Karsthans“ auftretenden Hans Maurer, gen. Zündauff, in welchen der Zölibat in Frage gestellt
und für die Priesterehe geworben wurde102.
Schon bald nach Beginn der Reformation kam es zu Eheschließungen von Weltgeistlichen und aus ihren
Klöstern ausgetretenen Mönchen und Nonnen. Zu diesen zählte auch Martin Bucer, der im Sommer 1522
die ehemalige Nonne Elisabeth Silbereisen geheiratet hatte. Im Februar bzw. März 1523 war er, damals
noch in Weißenburg tätig, durch den Speyerer Bischof exkommuniziert worden. Als Bucer im Mai 1523
nach Straßburg kam, zeigte er dem Straßburger Bischof seine Ehe an. Der Bischof untersagte ihm darauf-
hin jegliche priesterliche Tätigkeit; vom Magistrat forderte er, Bucer als exkommunizierten Priester der
Stadt zu verweisen103. Bucer reichte daraufhin beim Magistrat eine Verteidigungsschrift ein. In der „Ver-
antwortung ahn m[ine] H[erren] uff Episcopi Schreiben seiner persohn halben“ rechtfertigte er seine Ehe-
schließung: Da nur wenige die Gabe der Keuschheit besäßen, sei es nötig, um hurery zu vermyden, daß ein
yeklicher sin eygen wib, ein yekliche iren eygen man habe. Bucer verwies auf Petrus und die anderen Apostel,
die auf den Missionsreisen ihre Frauen mitgenommen hatten. Sie sind für ihn auch Beleg, daß die Ehe bei
der Ausübung eines geistlichen Amtes nicht hinderlich ist104.
Am 18. Oktober 1523 trat mit dem Kaplan des Domherrn Rudolf von Baden, Martin Enderlin, der erste
Priester in Straßburg in den Stand der Ehe. Während dies in der Stadt anscheinend wenig Beachtung fand,
sorgte die Verheiratung des Leutpriesters der Thomasgemeinde Anton Firn mit seiner Haushälterin für
erhebliche Verwicklungen zwischen dem Magistrat, der Kirchengemeinde und dem Kapitel des Thomas-
stifts. Matthäus Zell segnete das Brautpaar im Beisein einer großen Volksmenge am 9. November im
Münster ein. Seine aus diesem Anlaß gehaltene Predigt gab er kurz darauf bei Wolfgang Köpfel in den
Druck105. Das Kapitel des Thomasstifts enthob Firn mit Billigung der städtischen Führung seines Amtes.
Als Firn jedoch trotz mehrfacher Aufforderungen nicht aus seinem Amt weichen wollte und sich die Tho-
masgemeinde hinter ihn stellte106, kam es zu einem Stimmungsumschwung bei den Ratsherren. Da man
einen Streit mit der Gemeinde vermeiden wollte, drängte der Magistrat das Stiftskapitel, den Leutpriester
im Amt zu belassen107.
100 Vgl. z.B. die von Jakob Wimpfeling veröffentlichte
Schrift „De fide concubinarum in sacerdotes“.
101 Vgl. TRE 36, S. 729f. und Buckwalter, Priesterehe,
S.43-130.
102 Vgl. Buckwalter, Priesterehe, S. 223f.
103 Ebd., S. 227.
104 Bucer, Deutsche Schriften 1, S. 293-301. Nach persön-
lichen Angriffen in einer unter dem Titel „Schnapphan“
erschienenen Flugschrift veröffentlichte Bucer im
Herbst 1523 dann eine ausführliche „Verantwortung“,
ediert ebd., S. 149-184.
105 Matthäus Zell, Ein Collation auff die einfuerung M.
Anthonii [...] und Katherine seines eelichen gemahels,
Straßburg: Wolfgang Köpfel 1523 (VD 16, Z 354). Zell
verteidigte darin die Eheschließung Firns als Wieder-
bringung der rechten, von Gott eingesetzten Ordnung.
Obwohl es den beiden unbenommen gewesen sei, noch
gewonlichem gebrauch der geistlichen bey einander zu
wonen, wie sie es bislang ohne Widerspruch von anderen
getan hätten, seien sie nun durch das Evangelium unter-
richtet worden, wie schwere sünd es sey, in solicher hure-
rey zu leben. Zu dieser Schrift s. Buckwalter, Priester-
ehe, S.230-233.
106 Beide reichten eine Bittschrift ein, in welcher gegen
„Hurenpfaffen“ und „geile Pfaffen“ polemisiert wurde:
Den Kanonikern des Stifts wird unterstellt, lieber öffent-
liche Hurer in das Pfarramt einzusetzen als einen gottes-
fürchtigen Ehemann, damit die eigene sittliche Verwahr-
losung verborgen bleibt (Supplication des pfarrhers und
der pfarrkinder zu Sant Thoman eim ersamen Rath zu
Straßburg [...], Basel: Andreas Cratander 1524 [VD 16,
F 1124]).
107 Vgl. Brant, Annalen Nr. 4460, 4461, 4465, 4473, 4478,
4481 und 4483.
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