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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 1. Teilband): Straßburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30661#0054
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Straßburg

Matthäus Zell selbst heiratete am 3. Dezember 1523 die Straßburger Bürgerstochter Katharina Schütz.
Bucer segnete das Paar im Münster ein und spendete ihm das Abendmahl unter beiderlei Gestalt108. Dem
Beispiel Zells folgten kurz nacheinander fünf weitere Geistliche109. Nun sah sich auch Bischof Wilhelm von
Honstein zum Handeln genötigt. Er lud die Betreffenden am 20. Januar 1524 nach Zabern vor und ersuchte
den Straßburger Magistrat, ihm bei der Bestrafung der Ehepriester behilflich zu sein. Dieser stellte sich
jedoch mit Rücksicht auf die Stimmung in der Bevölkerung hinter die Geistlichen. Dem Bischof gegenüber
argumentierte man, daß es zum Aufruhr unter den Gläubigen kommen würde, wenn man die verheirateten
Priester bestrafe, die Konkubinarier aber unbehelligt lasse. Der Bischof versuchte die Stadt zum Einlenken
zu bewegen, indem er am 19. Februar 1524 ein Mandat erließ, in welchem allen Priestern mit dem Verlust
ihrer Pfründen gedroht wurde, wenn sie nicht innerhalb von neun Tagen ihre Konkubinen fortschickten. Da
das Mandat jedoch nicht umgesetzt wurde, fühlte sich der Magistrat in seiner Haltung bestätigt. Er
bestritt dem Bischof das Recht, die Geistlichen als Bürger der Stadt vor sein Gericht zu ziehen110. Am 14.
März 1524 exkommunizierte der Bischof daraufhin die Ehepriester. Auf den an der Tür des Münsters
angebrachten Bannbrief reagierten diese ihrerseits mit einem Anschlag, in welchem sie an ein allgemeines
Konzil appellierten111. Dem Bischof waren die Hände gebunden, solange die Stadt ihre Geistlichen schützte.
Er verklagte Straßburg auf dem 3. Nürnberger Reichstag bei Kardinal Campeggi, aber auch dessen Inter-
vention vermochte den Magistrat nicht zum Einlenken zu bewegen.
Im Laufe des Jahres 1524 heirateten die restlichen Straßburger Prädikanten, als letzter am 1. August
1524 Wolfgang Capito112. Neben den Weltgeistlichen gingen auch zahlreiche Mönche und Nonnen eine Ehe
ein. Nachrichten von weiteren Interventionen des Bischofs sind nicht überliefert. Der Kampf gegen das
Konkubinat wurde von bischöflicher Seite erst wieder mit der Gegenreformation geführt. Dagegen suchte
der Straßburger Magistrat das Problem im März 1525 umfassender zu regeln, indem er alle unehelichen
Verbindungen, von Geistlichen und von Laien, untersagte113. Die Ehe wurde somit zum Leitbild für alle.
5. Mandat über Bilder und Altäre, 18. März 1525 (Text S. 166)
Wie in vielen anderen Städten kam es auch in Straßburg in den Anfangsjahren der Reformation zu Bilder-
stürmen. Dabei lassen sich in Straßburg zwei ikonoklastische Wellen feststellen: Die erste fand in den
Jahren 1524 und 1525 statt, die zweite in den Jahren 1529 und 1530114. Unter dem 5. September 1524
vermelden Brants „Annalen“, daß bild uff den straßen und in den kirchen gewaltiglich hinweggerissen worden
seien115. Der Magistrat beschloß daraufhin, die Bilderstürmer in den Turm zu legen. Er untersagte jegliches
eigenmächtige Entfernen von Bildern und Statuen und gebot den Prädikanten, ihre Gemeindeglieder ent-
sprechend zu ermahnen116. In der Zeit vom 22. bis zum 24. Oktober beseitigte eine vom Magistrat ernannte
Kommission - anscheinend jedoch nur im Münster - die Gegenstände, die von den Gläubigen besonders
verehrt wurden117.

108 Vgl. dazu Buckwalter, Priesterehe, S. 233: „Der
Demonstrationscharakter dieser Eheschließung wurde
durch [...] die Spendung des Abendmahls in beiderlei
Gestalt [...] noch gesteigert“.
109 Ebd., S. 237: „eine regelrechte Offensive von Zölibats-
brüchen, eine einzige Kette von Provokationen für den
Bischof“.
110 Vgl. Adam, Kirchengeschichte Straßburg, S. 63f.
111 Die Geistlichen ließen den Einspruch drucken: Appella-
tio sacerdotum maritorum urbis Argentinae adversus
insanam excommunicationem episcopi, [Straßburg:
Wolfgang Köpfel] 1524 (VD 16, Z 349), deutsche Ver-
sion: Appellation der eelichen Priester von der vermayn-

ten Excommunication [...], [Straßburg: Wolfgang Köp-
fel] 1524 (VD 16, Z 347).
112 Vgl. Adam, Kirchengeschichte Straßburg, S. 66; Buck-
walter, Priesterehe, S. 230f. (dort vor allem zu Capitos
Gesinnungswandel hinsichtlich der Priesterehe).
113 Zu dem edierten Mandat vgl. auch Brant, Annalen,
Nr. 4595.
114 Siehe dazu Wandel, Idols, S. 111.
115 Brant, Annalen, Nr. 4538.
116 Ebd., Nr. 4538. Das entsprechende Mandat des Magi-
strats scheint nicht mehr erhalten zu sein.
117 Vgl. Bucer, Correspondance 1, Nr. 80, S. 279 (Bucer an
Zwingli): Senatus nuper idola quaedam, nempe quae in

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