Einleitung
Trotz der Anweisung des Rates kam es am 29. und 31. Oktober 1524 erneut zu Zwischenfällen. Dabei
wurden aus dem Münster und aus St. Aurelien Bilder, Retabeln und Reliquien entfernt. In St. Aurelien
blieb nur das Retabel auf dem Hochaltar erhalten118. Nach Bucers Darstellung ging die Aktion in St.
Aurelien auf einen einhelligen Beschluß der Gemeinde zurück119. Kaum einen Monat später, am 22. Novem-
ber 1524, wurden mit der Einwilligung Bucers die Gebeine der Hl. Aurelia120 ausgegraben und die Gruft mit
ihrem Grab zugemauert, um die weitere Verehrung der Heiligen zu verhindern121. In seiner Ende Dezember
1524 bei Wolfgang Köpfel veröffentlichten Schrift „Grund und Ursach“ lieferte Bucer die theologische
Rechtfertigung für das Vorgehen seiner Gemeinde. Er berief sich dabei auf das Bilderverbot im Alten
Testament. Zugleich hob er die verderbliche Wirkung der Bilder für das einfache Volk hervor, das seine
Verehrung nicht dem Schöpfer, sondern dem Geschaffenen zuwendet. Bucer sah die städtische Obrigkeit (wo
die wöllen Christen sein) in der Pflicht und hielt den Straßburger Ratsherren die Entschlossenheit der
Zürcher Kollegen vor Augen, die im Juni 1524 die Ausräumung der Kirchen beschlossen hatten122.
Der Straßburger Magistrat scheute jedoch eine so weitreichende Maßnahme und erließ am 18. März
1525, nachdem es im Januar und Februar erneut zu Zwischenfällen gekommen war123, ein weiteres Mandat,
das, ähnlich wie das aus dem September, jegliches eigenmächtige Vorgehen untersagte124. Aus den Jahren
1525 und 1526 sind noch zwei Vorfälle aus dem Münster überliefert, das anscheinend das bevorzugte Ziel
der Bilderstürmer war125. Für die Jahre 1527 und 1528 schweigen dann die Chroniken.
Eine zweite Welle des Ikonoklasmus brach 1529 über Straßburg herein. Sie begann am 23. März 1529
mit dem Abriß aller Altäre und dem Weißen der Wände in Alt St. Peter. An dieser Aktion beteiligte sich
auch der Pfarrer Theobald Schwarz126. Die Straßburger Prädikanten übten nun Druck auf die Ratsherren
aus. In ihrer Eingabe vom Mai 1529 kritisierten sie, daß immer noch Altäre und Bilder vorhanden seien,
davor vil abgötterei getriben werde127. Am 10. November drängten Hedio und Bucer, auch die Chorschranken
und Schilde (die do heidnischer art) zu beseitigen. Die Ratsherren entschieden jedoch, nur die aberglaubigen
bilder, die Gegenstand der Verehrung seien, entfernen zu lassen. Hingegen sollten Gemälde mit der Dar-
stellung des Leidens Christi hängen bleiben. Eine Entscheidung über die Altäre und über den Umgang mit
Schilden und Fahnen in den Kirchen verschob man auf einen späteren Zeitpunkt128. Am 14. Februar 1530
faßte der Magistrat dann doch den Beschluß, dieweil die bildnüß zum höchsten wider Gott und sin bejelch, alle
Altäre, Retabeln und Bilder aus den Kirchen zu entfernen. Mit der Umsetzung des Beschlusses wurden die
Pfleger der Kirchen und Klöster beauftragt129. Die vom Magistrat angestrebte geordnete Abwicklung
gelang jedoch nicht; vielmehr kam es in mehreren Gemeinden kurz nach der Entscheidung zu spontanen
Bilderstürmen. Dabei wurden Kircheneinrichtungen zertrümmert oder weggeschleppt130. In den Kirchen
auf dem Land scheint es dagegen zu keinen größeren Bilderstürmen gekommen zu sein, da in der Kirchen-
ordnung von 1534 die Visitatoren mit der Beseitigung der Bilder beauftragt wurden, die zu offentlicher
abgöttery und aberglauben Anlaß bieten könnten (Nr. 17, S. 245).
peculiari veneratione habeantur, submovit in primo tem-
plo.
118 Vgl. Brant, Annalen, Nr. 4545.
119 Vgl. Bucer, Deutsche Schriften 1, S. 269 und Bucer,
Correspondance 1, Nr. 80, S. 279.
120 Die Hl. Aurelia gehörte der Straßburger Überlieferung
nach zu den 11.000 Jungfrauen. Die Wallfahrt zu ihrem
Grab sollte gegen Fieber helfen.
121 Vgl. Bucer, Deutsche Schriften 1, S. 273f.
122 Ebd., S. 269-274. Zu den Geschehnissen in Zürich s.
TRE 6, S. 551-553. Bucer hatte 1524 mit Zwingli über
die Frage der Bilder korrespondiert, s. Bucer, Corre-
spondance 1, Nr. 63, S. 226-237 und Nr. 67, S. 253-258.
123 Siehe Brant, Annalen, Nr. 4571 und Wandel, Idols,
S. 118.
124 Im Unterschied zu den anderen Mandaten, die nur aus
der chronikalischen Überlieferung bekannt sind, ist diese
städtische Verordnung im AMS noch vorhanden.
125 Siehe dazu Wandel, Idols, S. 121-123. Im April 1525
wurde das Marienbild vom Marienaltar genommen und
im Advent 1526 verschwand das große vergoldete Kreuz
hinter dem Hochaltar, das als ein Geschenk Karls d. Gr.
galt.
126 Vgl. Büheler, Chronick, Nr. 240.
127 Vgl. Brant, Annalen, Nr. 4781.
128 Ebd., Nr. 4819.
129 Ebd., Nr. 4849. Das entsprechende Mandat scheint
nicht erhalten zu sein.
130 Siehe dazu die Zeugnisse in Brant, Annalen, Nr. 4853
und Büheler, Chronick, Nr. 250.
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Trotz der Anweisung des Rates kam es am 29. und 31. Oktober 1524 erneut zu Zwischenfällen. Dabei
wurden aus dem Münster und aus St. Aurelien Bilder, Retabeln und Reliquien entfernt. In St. Aurelien
blieb nur das Retabel auf dem Hochaltar erhalten118. Nach Bucers Darstellung ging die Aktion in St.
Aurelien auf einen einhelligen Beschluß der Gemeinde zurück119. Kaum einen Monat später, am 22. Novem-
ber 1524, wurden mit der Einwilligung Bucers die Gebeine der Hl. Aurelia120 ausgegraben und die Gruft mit
ihrem Grab zugemauert, um die weitere Verehrung der Heiligen zu verhindern121. In seiner Ende Dezember
1524 bei Wolfgang Köpfel veröffentlichten Schrift „Grund und Ursach“ lieferte Bucer die theologische
Rechtfertigung für das Vorgehen seiner Gemeinde. Er berief sich dabei auf das Bilderverbot im Alten
Testament. Zugleich hob er die verderbliche Wirkung der Bilder für das einfache Volk hervor, das seine
Verehrung nicht dem Schöpfer, sondern dem Geschaffenen zuwendet. Bucer sah die städtische Obrigkeit (wo
die wöllen Christen sein) in der Pflicht und hielt den Straßburger Ratsherren die Entschlossenheit der
Zürcher Kollegen vor Augen, die im Juni 1524 die Ausräumung der Kirchen beschlossen hatten122.
Der Straßburger Magistrat scheute jedoch eine so weitreichende Maßnahme und erließ am 18. März
1525, nachdem es im Januar und Februar erneut zu Zwischenfällen gekommen war123, ein weiteres Mandat,
das, ähnlich wie das aus dem September, jegliches eigenmächtige Vorgehen untersagte124. Aus den Jahren
1525 und 1526 sind noch zwei Vorfälle aus dem Münster überliefert, das anscheinend das bevorzugte Ziel
der Bilderstürmer war125. Für die Jahre 1527 und 1528 schweigen dann die Chroniken.
Eine zweite Welle des Ikonoklasmus brach 1529 über Straßburg herein. Sie begann am 23. März 1529
mit dem Abriß aller Altäre und dem Weißen der Wände in Alt St. Peter. An dieser Aktion beteiligte sich
auch der Pfarrer Theobald Schwarz126. Die Straßburger Prädikanten übten nun Druck auf die Ratsherren
aus. In ihrer Eingabe vom Mai 1529 kritisierten sie, daß immer noch Altäre und Bilder vorhanden seien,
davor vil abgötterei getriben werde127. Am 10. November drängten Hedio und Bucer, auch die Chorschranken
und Schilde (die do heidnischer art) zu beseitigen. Die Ratsherren entschieden jedoch, nur die aberglaubigen
bilder, die Gegenstand der Verehrung seien, entfernen zu lassen. Hingegen sollten Gemälde mit der Dar-
stellung des Leidens Christi hängen bleiben. Eine Entscheidung über die Altäre und über den Umgang mit
Schilden und Fahnen in den Kirchen verschob man auf einen späteren Zeitpunkt128. Am 14. Februar 1530
faßte der Magistrat dann doch den Beschluß, dieweil die bildnüß zum höchsten wider Gott und sin bejelch, alle
Altäre, Retabeln und Bilder aus den Kirchen zu entfernen. Mit der Umsetzung des Beschlusses wurden die
Pfleger der Kirchen und Klöster beauftragt129. Die vom Magistrat angestrebte geordnete Abwicklung
gelang jedoch nicht; vielmehr kam es in mehreren Gemeinden kurz nach der Entscheidung zu spontanen
Bilderstürmen. Dabei wurden Kircheneinrichtungen zertrümmert oder weggeschleppt130. In den Kirchen
auf dem Land scheint es dagegen zu keinen größeren Bilderstürmen gekommen zu sein, da in der Kirchen-
ordnung von 1534 die Visitatoren mit der Beseitigung der Bilder beauftragt wurden, die zu offentlicher
abgöttery und aberglauben Anlaß bieten könnten (Nr. 17, S. 245).
peculiari veneratione habeantur, submovit in primo tem-
plo.
118 Vgl. Brant, Annalen, Nr. 4545.
119 Vgl. Bucer, Deutsche Schriften 1, S. 269 und Bucer,
Correspondance 1, Nr. 80, S. 279.
120 Die Hl. Aurelia gehörte der Straßburger Überlieferung
nach zu den 11.000 Jungfrauen. Die Wallfahrt zu ihrem
Grab sollte gegen Fieber helfen.
121 Vgl. Bucer, Deutsche Schriften 1, S. 273f.
122 Ebd., S. 269-274. Zu den Geschehnissen in Zürich s.
TRE 6, S. 551-553. Bucer hatte 1524 mit Zwingli über
die Frage der Bilder korrespondiert, s. Bucer, Corre-
spondance 1, Nr. 63, S. 226-237 und Nr. 67, S. 253-258.
123 Siehe Brant, Annalen, Nr. 4571 und Wandel, Idols,
S. 118.
124 Im Unterschied zu den anderen Mandaten, die nur aus
der chronikalischen Überlieferung bekannt sind, ist diese
städtische Verordnung im AMS noch vorhanden.
125 Siehe dazu Wandel, Idols, S. 121-123. Im April 1525
wurde das Marienbild vom Marienaltar genommen und
im Advent 1526 verschwand das große vergoldete Kreuz
hinter dem Hochaltar, das als ein Geschenk Karls d. Gr.
galt.
126 Vgl. Büheler, Chronick, Nr. 240.
127 Vgl. Brant, Annalen, Nr. 4781.
128 Ebd., Nr. 4819.
129 Ebd., Nr. 4849. Das entsprechende Mandat scheint
nicht erhalten zu sein.
130 Siehe dazu die Zeugnisse in Brant, Annalen, Nr. 4853
und Büheler, Chronick, Nr. 250.
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