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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 1. Teilband): Straßburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30661#0401
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38. Kirchenordnung von Johannes Marbach

bild von einer klarheyt zu der andern als vom geyst
des herrn, 2. Corinth. 3 [17-18].
Das dritte stück christenlicher freyheyt ist, das uns
das evangelion frey macht vonn dem gesetze Mosi,
welchs den juden uffgelegt ist gewest, das sie neben
den Zehen Gebotten sonndere gottesdienst und ein
sonders regiment musten halten, wie daselbe Gott
inen geordnet het. Die nun, so in Christum glauben,
die sollen, wie oben anzeygt, ir leben nach denn Ze-
hen Gebotten richten unndt nichts darwider thun,
denn solchs wil Gott nit erlauben. Darumb wer es
gar ein grober mißverstandt, so yemandt die christ-
liche freyheyt dahin wolte deuten, als dörffte man
die Zehen Gebott nit haltenn. Das aber ist die |45|
rechte freyheyt (welche doch nur die haben, so an
Christum glauben), wo wir uß schwachheit oder
sonst wider die Zehen Gebott gethan haben (wie es
denn unmüglich ist, das wir sie in disem leben hie
köndten volkomlich halten), das solche sünde umb
des herren Christi willen, der dafür, wie wir glauben,
bezalet hat, uns nit soll zugerechnet werden, wie
Paulus solchs seer fein unnd mit eygentlichen wor-
ten redett, Gal. 3 [13-14]: Christus hat uns erlöset
vom fluch des gesetzes, da er ward ein fluch für uns.
Den es stehet geschriben: Verflucht sey yeder man,
der am holtz hanget81, auff das der segen Abrahe
under die heyden käme in Christo Jesu. Das ist sovil
gesagt: Die Zehen Gebott sollen wir halten. Wo wir
sie aber nit halten, so soll doch das gesetz uns nit
mögen verdammen, denn davon hat uns Christus
erlöset durch seinen todt. Das ist ein freyheyt vom
gesetz.
Neben dem nun, das wir durch den glauben an
Christum von dem fluch des gesetzes gefreyet sind
und solcher untreglicher last, wie in Petrus nen-
net82, von uns genummen |46| ist, so haben wir auch
dise freyheyt, das uns nicht angehet noch bindet,
was Gott den juden für eusserliche gottesdienst oder
regimentsordnung geben hat. Wir können christen
sein und dörffen uns doch nit beschneiden lassen.
i Hs.: Col. 3.
81 5Mos 21,23.
82 Siehe Gal 3,13. Die Erwähnung des Petrus ist wohl ein
Irrtum.

Wir dörffen schweynen fleysch und alles essen, was
ander leut essen. Wir dörffen kein sondere zeit hal-
ten, on so fern es dienet zur ordnung in der kirchen.
So will im Gott gefallen lassen alle ordenliche regi-
ment und pollicey, da man das übel straffet unnd
die frommen schützet, unangesehen, das er selb den
juden ir regimentsordnung oder pollicey gestellet
hat. Das ist nun auch nicht ein geringes stuck
christlicher freyheyt, wenn wir es gegen so manig-
feltigen satzungen des gesetzes halten, damit die ju-
den beschweret werden.
Das vierdte stück christlicher freyheyt ist dises, das
das evangelion verbeut83, man soll kein solche sat-
zung in der kirchen machen, die man für gottes-
dienst halten und zu vergebung der sünden oder ge-
rechtigkeyt nöttig wolte achten. Solchs |47| mag man
ordnen, das man zu bestümpter zeit in die kirchen
kumme, Gottes wort höre, diß oder jhenes lese oder
predige etc. Denn wie oben gemeldet, soll es alles in
der kirchen fein ordenlich und züchtig zugehen84.
Daher seind die feinen und nutzen ordnungen kum-
men, die alle pfarrherrn billich halten sollen, das
man auff gewiß zeyt die heyligen fest Christi und
der apostel helt, das man in der fasten die passion
predigt oder zum wenigsten dem volck von wort zu
wort fürlieset, unnd also ein yedes stück unsers
christlichen glaubens sein eygne zeyt hat, das man
das volck davon underrichten kan. Denn auff einen
tag kan mans nit alles handlen unnd sol doch kein
jar hinkummen, das man nit eyn jedes stuck in son-
derheyt wolte fürnemen. Aber das mans darumb
wolte also nötig achtenn und ein todsünde drauß
machen, wo bißweylen auß ursachen oder on gefer
etwas in solchem mitteln sachen geendert würde,
das wer unrecht. Denn da sagt Paulus, Col. 2i [16],
wir sollen uns kein gewissen lassen machen uber der
speiß oder trancks oder der zeit halb, und Gal. 5 [1]:
So bestehet nun in der freyheyt, damit uns Christus
befreyet hat, und laßt euch nicht widerumb in das
knechtliche joch fangenn. |48|
83 Verbietet.
84 Vgl. 1Kor 14,40.

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