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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2011 — 2012

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I. Das Geschäftsjahr 2011
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Wissenschaftliche Sitzungen
DOI Kapitel:
Sitzung der Phil.-hist. Klasse am 21. Januar 2011
DOI Artikel:
Pauen, Sabina: Können neuropsychologische Methoden uns helfen, das Denken von Babies zu verstehen?
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https://doi.org/10.11588/diglit.55657#0050
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21. Januar 2011

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Möbel) dargeboten wurden, so zeigte sich unter Verwendung von 3-D Miniatur-
modellen natürlicher Objekte ein „global-to-basic level shift“: Während 7 Monate
Babys globale Kategorien differenzierten, gelang die Unterscheidung von Katego-
rien auf Basisebene erst ab 11 bis 12 Monaten. In vereinfachten Sortieraufgaben
wurde der gleiche Entwicklungstrend zwischen 14 und 24 Monaten nachgewiesen.
Diese Beobachtungen werfen eine Reihe von Fragen auf: Warum variiert die Lei-
stung mit der Art der Aufgabe? Warum ist eine Kategorisierung auf globaler Ebene
leichter als auf der Basisebene? Welche Denkprozesse liegen den beobachteten
Leistungen zugrunde? Will man diese Fragen beantworten, so kommt man mit Ver-
haltensmessungen an seine Grenzen. Seit kurzem hat man daher begonnen, auch
Hirnstrommessungen durchzufuhren.
Konkret wird den Kindern dabei eine Haube mit Elektroden aufgesetzt, die
Reaktionen des Gehirns an der Kopfoberfläche messen. Unter Verwendung dieser
Technik lässt sich beispielsweise ermitteln, ob das Kind etwas Vertrautes oder Neues
wahrnimmt. Die damit verbundenen Änderungen in der Aufmerksamkeit zeigen
sich an einer Negativierung über fronto-zentralen Elektroden, die zwischen 350 und
600 ms nach Beginn der Präsentation nachweisbar ist. Im Rahmen eigener Studien
haben wir Kategorisierungsprozesse auf globaler Ebene im Alter von 4 und 7 Mona-
ten untersucht. Konkret sahen die Kinder insgesamt 100 unterschiedliche Reize für
je eine Sekunde, von denen 80 aus einer Kategorie (Standard: z. B.Tiere) und 20 aus
der kontrastierten Kategorie (Oddball: z. B. Möbel) stammten. Die Reize waren bunt
gemischt, so dass das Kind nie wusste, wann ein Standard- und wann ein Oddball-
reiz präsentiert wurde. Trotzdem zeigte das Gehirn schon in der ersten Hälfte der
Darbietungen eine erhöhte Aufmerksamkeit für Oddballreize. Bei den jüngeren Kin-
dern verschwand dieser Effekt in der zweiten Hälfte, obwohl sie allgemein interes-
siert bei der Sache blieben. Erklären lässt sich diese Beobachtung, wenn man
annimmt, dass bereits 4 Monate alte Kinder eine wissensbasierte Unterscheidung
zwischen Lebewesen und unbelebten Objekten machen. Weil ihre Repräsentation
von Tieren und Möbeln noch instabil ist, wird dieses Wissen nur zu Beginn der Prä-
sentation aktiviert und später von online-Prozessen der perzeptuellen Abstraktions-
bildung überformt. Mit anderen Worten: Zunächst sind die Kinder mit Kategorien-
identifikation beschäftigt, beginnen aber schon bald, nach äußerlichen Ähnlichkei-
ten zwischen den gezeigten Bildern zu suchen. Weil globale Kategorien perzeptuell
sehr heterogen sind, scheitern die Kinder bei dem Versuch, beide Kategorien alleine
aufgrund von Merkmalen der äußeren Erscheinung zu differenzieren. Mit sieben
Monaten sind globale Repräsentationen dann soweit gefestigt, dass eine sichere und
stabile Identifikation der Kategorienzugehörigkeit möglich ist. In Bestätigung dieser
Annahme konnten andere Studien unserer Arbeitsgruppe zeigen, dass 7 Monate alte
Säuglinge, denen gleichviele Exemplare beider Kategorien in durchmischter Abfol-
ge präsentiert wurden, immer dann eine verstärkte Positivierung ihrer Hirnwellen
zeigten, wenn zuvor eine Exemplar der gleichen Kategorien dargeboten worden
war. Diese Positivierung wird in der Literatur mit Erinnerungseffekten in Verbin-
dung gebracht und weist auf die Existenz von umfassenden mentalen Repräsenta-
tionen für Tiere und Möbel hin. Übergreifend wird damit deutlich, dass neuropsy-
 
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