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SITZUNGEN
„Extraordinariate für Spezialfächer“ schuf (Bartz, mit Hinweis auf Kaiser, aaO, S: 68).
Ludwig Kaiser sprach von „im ganzen mild konservativer Haltung“ (vergl. Bartz, aaO,
S. 68), man kann deutlicher auch von Restauration sprechen.
Die KMK legte ihrer „Bedarfsfeststellung 1961—1970“, im Jahre 1963 ver-
öffentlicht, diese Empfehlungen zugrunde, um die dadurch entstehenden Mehr-
kosten für Personal und Bauten neu zu gründender Hochschulen zu ermitteln
(vergl. Bartz, aaO, S. 68).
Das Schlagwort von der „ Überfüllung der Hochschulen“ taucht wirkungsvoll erst-
malig 1959 in einer Denkschrift ausgerechnet des Bundesinnenministeriums gleichen
Namens auf.Von etwa 180.000 Studenten werde bis 1965 die Zahl auf etwa 260.000
ansteigen. Bei ca. 9000 „Lehrpersonen“ betrage bereits jetzt das Verhältnis 20:1, wün-
schenswert sei aber eine Relation von 10-15 zu 1. Schon jetzt seien daher die Hoch-
schulen überfüllt. Umfangreiche Ausbaumaßnahmen seien erforderlich (vgl. Bartz,
aaO, S. 54). Sorgfältig hüteten die Länder zunächst ihre Alleinzuständigkeit in
Bildungsfragen, auch wenn sie damit einverstanden waren, dass der Bund seit 1957
sozial Schwächeren den Studienzugang mit Bundesmitteln erleichterte. Die gute
Kassenlage des Bundes und die Erkenntnis der Länder, die allseits für notwendig
erkannte Bildungsexpansion nicht alleine schultern zu können, führte zu der Veranke-
rung der Gemeinschaftsaufgaben im Grundgesetz, Art. 91 b GG, und im Ergebnis über
den Hochschulbau und die Hochschulrahmengesetzgebung zum massiven Ausbau der
Hochschulen: Die Bildungsausgaben in Deutschland stiegen zwischen 1965 und 1973 um
den Faktor 3.
Die Große Koalition (1966-1969) veränderte die Wissenschaftspolitik des Bun-
des deutlich: Wirtschaftliche Relevanz prägte nun das Förderverständnis. Neue Tech-
nologien - neben Kernenergie und Luft- und Raumfahrt trat die Datenverarbeitung
— wurden gezielt gefördert. Die sozialliberale Koalition ab 1969 orientierte ihr Han-
deln zusätzlich an der gesellschaftlichen Relevanz der Forschungsförderung. Sie nahm
Umweltschutz und Schlüsseltechnologien wie Biotechnologie und Gesundheits-
technik sowie sozialwissenschaftliche Fragen wie Humanisierung des Arbeitslebens
in ihr Förderportfolio auf: Die Förderpolitik des Bundes wurde für Technikoptimisten zur
Investitionslenkung: Forschungspolitik als Industriepolitik. Begleitet wurden diese Ent-
wicklungen von heftigen Auseinandersetzungen vor allem im Bildungsbereich, aber
auch in der Forschung. Es ging um den richtigen Umgang mit der Vergangenheit
(„Unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren!“) und die richtigen Strukturen und
Leitsterne für die Zukunft.
Die Beiträge des Bundes zur Forschungsforderung gingen vor allem in die
außeruniversitäre Forschung. Großforschungseinrichtungen, die Max-Planck-Gesellschaft
und die Fraunhofer Gesellschaft entwickelten sich neben den Universitäten zu den tragenden
Säulen des deutschen Wissenschaftssystems. Der lebendige Geist hatte es schwer, sich
zwischen Grundlagenforschung, anwendungsorientierter Grundlagenforschung,
anwendungsorientierter Forschung und Entwicklung zurechtzufinden. Der Anteil
der gewerblichen Wirtscha ft am Gesamtaufwand für Forschung und Entwicklung wuchs
und überholte den Staatsanteil daran. Die Projektförderung wurde ein attraktives
Steuerungsmittel, das vor allem der Bund, aber auch Länder nutzten. Dahinter trat
SITZUNGEN
„Extraordinariate für Spezialfächer“ schuf (Bartz, mit Hinweis auf Kaiser, aaO, S: 68).
Ludwig Kaiser sprach von „im ganzen mild konservativer Haltung“ (vergl. Bartz, aaO,
S. 68), man kann deutlicher auch von Restauration sprechen.
Die KMK legte ihrer „Bedarfsfeststellung 1961—1970“, im Jahre 1963 ver-
öffentlicht, diese Empfehlungen zugrunde, um die dadurch entstehenden Mehr-
kosten für Personal und Bauten neu zu gründender Hochschulen zu ermitteln
(vergl. Bartz, aaO, S. 68).
Das Schlagwort von der „ Überfüllung der Hochschulen“ taucht wirkungsvoll erst-
malig 1959 in einer Denkschrift ausgerechnet des Bundesinnenministeriums gleichen
Namens auf.Von etwa 180.000 Studenten werde bis 1965 die Zahl auf etwa 260.000
ansteigen. Bei ca. 9000 „Lehrpersonen“ betrage bereits jetzt das Verhältnis 20:1, wün-
schenswert sei aber eine Relation von 10-15 zu 1. Schon jetzt seien daher die Hoch-
schulen überfüllt. Umfangreiche Ausbaumaßnahmen seien erforderlich (vgl. Bartz,
aaO, S. 54). Sorgfältig hüteten die Länder zunächst ihre Alleinzuständigkeit in
Bildungsfragen, auch wenn sie damit einverstanden waren, dass der Bund seit 1957
sozial Schwächeren den Studienzugang mit Bundesmitteln erleichterte. Die gute
Kassenlage des Bundes und die Erkenntnis der Länder, die allseits für notwendig
erkannte Bildungsexpansion nicht alleine schultern zu können, führte zu der Veranke-
rung der Gemeinschaftsaufgaben im Grundgesetz, Art. 91 b GG, und im Ergebnis über
den Hochschulbau und die Hochschulrahmengesetzgebung zum massiven Ausbau der
Hochschulen: Die Bildungsausgaben in Deutschland stiegen zwischen 1965 und 1973 um
den Faktor 3.
Die Große Koalition (1966-1969) veränderte die Wissenschaftspolitik des Bun-
des deutlich: Wirtschaftliche Relevanz prägte nun das Förderverständnis. Neue Tech-
nologien - neben Kernenergie und Luft- und Raumfahrt trat die Datenverarbeitung
— wurden gezielt gefördert. Die sozialliberale Koalition ab 1969 orientierte ihr Han-
deln zusätzlich an der gesellschaftlichen Relevanz der Forschungsförderung. Sie nahm
Umweltschutz und Schlüsseltechnologien wie Biotechnologie und Gesundheits-
technik sowie sozialwissenschaftliche Fragen wie Humanisierung des Arbeitslebens
in ihr Förderportfolio auf: Die Förderpolitik des Bundes wurde für Technikoptimisten zur
Investitionslenkung: Forschungspolitik als Industriepolitik. Begleitet wurden diese Ent-
wicklungen von heftigen Auseinandersetzungen vor allem im Bildungsbereich, aber
auch in der Forschung. Es ging um den richtigen Umgang mit der Vergangenheit
(„Unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren!“) und die richtigen Strukturen und
Leitsterne für die Zukunft.
Die Beiträge des Bundes zur Forschungsforderung gingen vor allem in die
außeruniversitäre Forschung. Großforschungseinrichtungen, die Max-Planck-Gesellschaft
und die Fraunhofer Gesellschaft entwickelten sich neben den Universitäten zu den tragenden
Säulen des deutschen Wissenschaftssystems. Der lebendige Geist hatte es schwer, sich
zwischen Grundlagenforschung, anwendungsorientierter Grundlagenforschung,
anwendungsorientierter Forschung und Entwicklung zurechtzufinden. Der Anteil
der gewerblichen Wirtscha ft am Gesamtaufwand für Forschung und Entwicklung wuchs
und überholte den Staatsanteil daran. Die Projektförderung wurde ein attraktives
Steuerungsmittel, das vor allem der Bund, aber auch Länder nutzten. Dahinter trat