164
ANTRITTSREDEN
einer kleinen Bühne, auf der ein unbekanntes Tier (Fellwurm mit deutlich erkenn-
baren Gesichtsmerkmalen) und ein Ball in einiger Entfernung voneinander lagen
und sich nicht bewegten. Diese Szene nutzen wir zur Bestimmung der Basis-Präfe-
renzen für beide Objekte. War das Tier mit einem einfarbigen Ball kombiniert, so
wurde der Fellwurm länger angeschaut. War der Ball mit leuchtend gelben Punkten
versehen, erregte er in Szene 1 vergleichsweise mehr Aufmerksamkeit als das Tier.
Nachdem die Kinder beide Objekte für 15 Sekunden betrachtet hatten, senkte sich
der Vorhang zunächst. Als er sich wieder hob, sah das Kind, wie Tier und Ball
gemeinsam umeinander rollten und dabei ständig in Kontakt standen. Diese Szene
dauerte 30 Sekunden. Die anschließend dargebotene Szene 3 war mit Szene 1 iden-
tisch.
Abb. 1: Tier-Ball Versuch zur Kausalität, bestehend aus drei einzelnen Szenen
Was uns in diesem Fall interessierte, war die Veränderung der Blickpräferenz
von der ersten zur dritten Szene. Dabei gingen wir von der Annahme aus, dass Babys
in Szene 2 überlegen, wie die Bewegung, die sie fasziniert beobachteten, zustande
kommt. Faktisch verursachte ein Batterie-betriebener Motor im Ball die Bewegung,
aber da dieser Mechanismus nicht sichtbar war, gab die Situation selbst keinen
Aufschluss über die Quelle der Bewegung. Sollten die Babys bereits etwas über den
Unterschied zwischen Lebewesen und unbelebten Objekten wissen, dann müssten
sie dieses Wissen nutzen, um in der kausal ambiguen Situation zu entscheiden,
welches der beiden sichtbaren Objekte die Bewegung verursacht. Woran würden
wir das erkennen? Wenn Erwachsene von einem Objekt vermuten, dass es sich von
alleine bewegen kann, dann schauen sie dieses Objekt eher an als ein Objekt, von
dem sie glauben, dass es nicht dazu in der Lage ist. Bei Babys ist das ebenso. Ausge-
hend von dieser Annahme (deren Gültigkeit zunächst durch Kontrollstudien über-
prüft wurde) erwarteten wir, dass die Kinder in Szene 3 länger auf den Fellwurm
schauen als auf den Ball - und zwar unabhängig davon, ob sie in Szene 1 das Tier
oder den Ball interessanter fanden. In beiden Fällen sollte folglich eine Blickpräfe-
renzverschiebung von Szene 1 nach Szene 3 in Richtung auf das Tier zu verzeich-
nen sein, weil angenommen wird, dass das Tier sich von alleine bewegen kann und
die Bewegung in Szene 2 verursacht hat. Genau das war auch der Fall. Im Rahmen
von Nachfolgestudien stellten wir zudem sicher, dass dieses Ergebnis tatsächlich
etwas mit kausalem Denken zu tun hat: Wurde zusätzlich zu Tier und Ball eine
menschliche Hand auf der Bühne präsentiert, die in Szene 2 Tier und Ball aufgriff
und bewegte, so war keine Blickpräferenzverschiebung in Richtung auf das Tier
mehr nachweisbar. War die Hand präsent, intervenierte aber nicht, sondern schwebte
ANTRITTSREDEN
einer kleinen Bühne, auf der ein unbekanntes Tier (Fellwurm mit deutlich erkenn-
baren Gesichtsmerkmalen) und ein Ball in einiger Entfernung voneinander lagen
und sich nicht bewegten. Diese Szene nutzen wir zur Bestimmung der Basis-Präfe-
renzen für beide Objekte. War das Tier mit einem einfarbigen Ball kombiniert, so
wurde der Fellwurm länger angeschaut. War der Ball mit leuchtend gelben Punkten
versehen, erregte er in Szene 1 vergleichsweise mehr Aufmerksamkeit als das Tier.
Nachdem die Kinder beide Objekte für 15 Sekunden betrachtet hatten, senkte sich
der Vorhang zunächst. Als er sich wieder hob, sah das Kind, wie Tier und Ball
gemeinsam umeinander rollten und dabei ständig in Kontakt standen. Diese Szene
dauerte 30 Sekunden. Die anschließend dargebotene Szene 3 war mit Szene 1 iden-
tisch.
Abb. 1: Tier-Ball Versuch zur Kausalität, bestehend aus drei einzelnen Szenen
Was uns in diesem Fall interessierte, war die Veränderung der Blickpräferenz
von der ersten zur dritten Szene. Dabei gingen wir von der Annahme aus, dass Babys
in Szene 2 überlegen, wie die Bewegung, die sie fasziniert beobachteten, zustande
kommt. Faktisch verursachte ein Batterie-betriebener Motor im Ball die Bewegung,
aber da dieser Mechanismus nicht sichtbar war, gab die Situation selbst keinen
Aufschluss über die Quelle der Bewegung. Sollten die Babys bereits etwas über den
Unterschied zwischen Lebewesen und unbelebten Objekten wissen, dann müssten
sie dieses Wissen nutzen, um in der kausal ambiguen Situation zu entscheiden,
welches der beiden sichtbaren Objekte die Bewegung verursacht. Woran würden
wir das erkennen? Wenn Erwachsene von einem Objekt vermuten, dass es sich von
alleine bewegen kann, dann schauen sie dieses Objekt eher an als ein Objekt, von
dem sie glauben, dass es nicht dazu in der Lage ist. Bei Babys ist das ebenso. Ausge-
hend von dieser Annahme (deren Gültigkeit zunächst durch Kontrollstudien über-
prüft wurde) erwarteten wir, dass die Kinder in Szene 3 länger auf den Fellwurm
schauen als auf den Ball - und zwar unabhängig davon, ob sie in Szene 1 das Tier
oder den Ball interessanter fanden. In beiden Fällen sollte folglich eine Blickpräfe-
renzverschiebung von Szene 1 nach Szene 3 in Richtung auf das Tier zu verzeich-
nen sein, weil angenommen wird, dass das Tier sich von alleine bewegen kann und
die Bewegung in Szene 2 verursacht hat. Genau das war auch der Fall. Im Rahmen
von Nachfolgestudien stellten wir zudem sicher, dass dieses Ergebnis tatsächlich
etwas mit kausalem Denken zu tun hat: Wurde zusätzlich zu Tier und Ball eine
menschliche Hand auf der Bühne präsentiert, die in Szene 2 Tier und Ball aufgriff
und bewegte, so war keine Blickpräferenzverschiebung in Richtung auf das Tier
mehr nachweisbar. War die Hand präsent, intervenierte aber nicht, sondern schwebte