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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2011 — 2012

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I. Das Geschäftsjahr 2011
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Jahresfeier am 28. Mai 2011
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Löhneysen, Hilbert von: Festrede von Hilbert von Löhneysen: „Stromfluss ohne Widerstand – Hundert Jahre Supraleitung“
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https://doi.org/10.11588/diglit.55657#0037
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JAHRESFEIER

zunächst betrachtete Elektron sich schon sehr weit entfernt hat (Abb. 10). Diese
„retardierte“ Wechselwirkung ist die Ursache der Supraleitung in vielen Elementen
und Legierungen. Tatsächlich werden die meisten elementaren Metalle bei hinrei-
chend tiefen Temperaturen supraleitend, teilweise unter hydrostatischem Druck
(Abb. 11). Sogar viele Nichtmetalle werden unter hinreichend hohem Druck metal-
lisch und bei tiefen Temperaturen supraleitend. Das Element mit der höchsten Über-
gangstemperatur unter Normaldruck ist Nb mit Tc = 9,2 K. Lange Jahre blieb Tc im
Bereich von 20 K.
Die Entdeckung einer neuartigen Klasse von Supraleitern durch Johannes G.
Bednorz und Karl Alexander Müller5 1986 mit einem Beginn des supraleitenden
Übergangs bei etwa 35 K löste einen ungeheuren Boom der Erforschung dieser
Materialien aus. Bestimmendes Element sind Ebenen, die aus Kupfer und Sauerstoff
bestehen. Bednorz und Müller hatten zunächst Supraleitung in La2_xBaxCuO4 ent-
deckt und dafür bereits 1987 den Nobelpreis erhalten. Anfang 1987 fand man Supra-
leitung in YBa2Cu3O7 mit einer Übergangstemperatur von 92 K. Seit 1993 steht die
höchste Übergangstemperatur bei etwa 130 K in Hg-Ba-Ca-Cu-O-Legierungen.
Abb. 12 zeigt die Struktur von YBa2Cu3O7, das bereits bei der Siedetemperatur von
Stickstoff (77 K) supraleitend ist. Dies ermöglicht die einfache Demonstration eines
schwebenden Supraleiters: Beim Annähern der auf 77 K abgekühlten Probe an den
Magneten werden in dem Supraleiter Abschirmströme induziert und damit ein
magnetisches Moment, das der Änderung des Magnetfelds am Ort des Supraleiters
entgegen gerichtet ist. Da gleichnamige Magnetpole sich abstoßen, entsteht so eine
Kraft nach oben. Die Position des Supraleiters ist stabil, wenn diese Kraft gerade die
Gewichtskraft balanciert (Abb. 13).
Während von Bednorz und Müller eine spezielle Form der Elektron-Gitter-
Kopplung zur Erklärung der hohen Übergangstemperaturen angenommen wurde,
sprechen viele Experimente und auch viele theoretische Ansätze für eine magneti-
sche Kopplung, die in den Kupfer-Sauerstoff-Verbindungen zur Supraleitung führt,
auch deshalb, weil die Ausgangsmaterialien für diese Verbindungen antiferromagne-
tische Isolatoren sind (siehe S. 62). Erst durch Dotierung mit Ladungsträgern werden
die Kupfer-Sauerstoff-Ebenen metallisch und supraleitend. Diese Materialien wer-
den als Kuprat-Supraleiter bezeichnet. 2008 wurde von einer japanischen Gruppe
Supraleitung in einer anderen Klasse von Materialien entdeckt, die wiederum
geschichtet aufgebaut sind und in denen Eisen und Arsen die konstituierenden Ebe-
nen bilden. Auch hier gibt es wieder verschiedene Typen der Anordnung der Eisen-
Arsen-Ebenen und auch hier sind die nicht supraleitenden Ausgangsmaterialen häu-
fig antiferromagnetisch geordnet. Sie sind allerdings im Gegensatz zu den Kuprat-
Supraleitern metallisch. Die höchste Übergangstemperatur liegt für diese
Materialklasse derzeit bei 55 K.
Zusammenfassend zeigt Abb. 14 die zeitliche Entwicklung der Entdeckung
wichtiger Supraleiter von 1911 bis heute, hundert Jahre später. Dabei sind auch eini-

J. G. Bednorz und K. A. Müller, Z. Physik B 64, 189 (1986)
 
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