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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2011 — 2012

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I. Das Geschäftsjahr 2011
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Gesamtsitzung am 16. Juli 2011
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Grunwald, Reinhard: Lebendiger Geist:Wie geht es?
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https://doi.org/10.11588/diglit.55657#0093
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SITZUNGEN

er zu der Renaissance der Rolle der Akademien in Deutschland wesentlich beigetragen.
Wie die Akademien nun mit dem ihnen zugewachsenen Pfunden wuchern, bleibt
für den neugierigen Beobachter abzuwarten. Ein guter Ruf ist rasch verspielt, vor
allem, wenn man sich auf Gebiete begibt, die nicht durch eigene wissenschaftliche
Expertise abgedeckt sind, und er ist überall dort in besonderer Gefahr, wo die Poli-
tik nur ein wissenschaftliches Feigenblatt für eigene politische Entscheidungen sucht.
Der Platz auf dem Schoss der Politik ist immer nur kurzzeitig angenehm, der Günst-
ling von heute ist morgen verstoßen. Viel ließe sich über die Rolle der informellen
Gesprächsrunde der Allianz der Forschungsorganisationen mit und ohne Geld
berichten und ihre Entwicklung hin zu einer Abstimmungsrunde in wichtigen Fra-
gen vor der Klammer der institutionellen Eigeninteressen. Hier nur so viel: Ihre
Wirksamkeit hing und hängt an Personen und der persönlichen und institutionellen
Kompetenz und Glaubwürdigkeit, mit der Themen aufgegriffen oder formuliert und
die jeweiligen Thesen vertreten werden.
Europa wuchs in den seit der Wiedervereinigung vergangenen zwei Jahrzehn-
ten weiter zusammen. Deutschland hat seine zweite Chance nicht ungenutzt gelas-
sen und spielt eine zentrale Rolle im nun größeren europäischen Verbund. Ange-
sichts seines Bruttosozialproduktes, das deutlich über dem französischen, britischen
oder italienischen liegt, und der Vorteile, die die deutsche Wirtschaft aus dem
europäischen Binnenmarkt zieht, ist nicht verwunderlich, dass es auch als Zahlmeister
kräftig herangezogen wird. Dies ist seit dem 6. Forschungsrahmenprogramm der EU für
die deutschen Zahlungen für europäische Forschungsprogramme nicht mehr der
Fall. Hier gibt es sogar eine für die Bundesrepublik leicht positive Zahlungsbilanz.
Dies führt nun allerdings zu der problematischen Situation, dass etwa Polen Netto-
zahler ist, überspitzt formuliert, damit deutsche Forschung mit polnischem Geld
ermöglicht wird. Hier liegt eine Verantwortung für die Entwicklung von Wissensgesell-
schaften auch bei unserer Nachbarn im Süden und Osten Europas, die sich nicht allein auf
die wissenschaftliche Zusammenarbeit beschränkt: Ohne wirtschaftliche Entwick-
lung fehlen Finanzkraft und das Steueraufkommen von Betrieben und Privaten, die
erst die umfassende Unterstützung von Bildung und Innovation ermöglichen.
Deutschland kennt dieses europäische Problem im eigenen Fand: Der Anteil von For-
schungs- und Entwicklungsaufwand am Bruttoinlandssozialprodukt liegt zwischen
ca. 1 % in Mecklenburg-Vorpommern und über 3 % in Baden-Württemberg und
Bayern. Das Gebot des Grundgesetzes, in der Republik gleichartige Lebensbedin-
gungen zu schaffen, hat zum Instrument des Finanzausgleichs geführt - bisher gibt es
das in Europa nur aus jeweils unvermeidlich erscheinendem Anlass und eher z. B. als
Schutzschirm getarnt, da die Währungsunion einen Finanzausgleich eigentlich aus-
schließt.
Nach deutschem Vorbild, nämlich dem der DFG, wurde 2006 der European
Research Council (ERG) gegründet, auch wenn offiziell vor allem auf US-ameri-
kanische Vorbilder verwiesen wurde. Noch immer gilt es, nicht zuletzt für manche
deutsche Wissenschaftler bei Äußerungen im Ausland, als nicht opportun oder gar
unfein, auf das Modell Deutschland zu verweisen. Die deduktiv top-down angelegte Pro-
grammsteuerung der Europäische Forschungsrahmenprogramme durch die EU-Kom-
 
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