Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2011 — 2012

DOI Kapitel:
I. Das Geschäftsjahr 2011
DOI Kapitel:
Antrittsreden
DOI Artikel:
Pauen, Sabina: Antrittsrede von Frau Sabina Pauen an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 23. Januar 2011
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55657#0139
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
158

ANTRITTSREDEN

physikalische Vorstellungen über das Zusammenwirken von Kräften. Parallel zur
Promotion studierte ich einige Semester Philosophie und Physik an der Universität
Marburg und absolvierte eine Grundausbildung in klientzentrierter Spieltherapie,
weil ich noch immer Kindertherapeutin werden wollte. Als ich fast fertig mit der
Doktorarbeit war, erhielt Fritz Wilkening einen Ruf an die Universität Tübingen
und bot mir eine Assistentenstelle an seinem Lehrstuhl an. Nun musste ich mich ent-
scheiden zwischen einer Karriere an der Uni und einer Karriere als Therapeutin.
Beides zugleich war zeitlich nicht möglich. Ich entschied mich für die wissenschaft-
liche Laufbahn und erhielt zunächst ein Auslandsstipendium als Post-doc an der
Cornell-University in Ithaca (NY). Ausgehend von meiner Promotion interessierte
mich besonders, warum Kinder kausal ganz anders denken, wenn es darum geht, das
Verhalten von Objekten zu erklären, als wenn es darum geht, das Verhalten von Men-
schen zu verstehen. Dazu gab es an der Cornell-University einen Experten: Prof.
Frank Keil, bei dem ich gerne „in die Lehre“ gehen wollte.
Allerdings sollte sich schon bald herausstellen, dass Prof. Keil wenig Zeit für
mich hatte und ich weitgehend auf mich alleine gestellt war. Eine neu gewonnene
Freundin, die damals gerade promovierte, nahm mich mit in das Baby-Lab vom Prof.
Elisabeth Spelke. Was ich in diesen Laboren sah, war für mich völlig neu und gerade-
zu unglaublich: Hier wurde untersuchte, ob Babys über angeborenes Wissen in den
Bereichen Physik und Psychologie verfügen. Offensichtlich gab es Methoden, mit
denen man die Denkentwicklung bis ganz zu ihren Anfängen zurückverfolgen
konnte. Das war in Deutschland gänzlich unbekannt. Nun wollte es der Zufall, dass
unter meinen Freunden an der Cornell-University auch ein Doktorand war, der
früher als Kameramann gearbeitet hatte. Ich überredete ihn, mit mir einen Film über
die Säuglingsforschung von Prof. Spelke zu drehen, den ich nach meiner Rückkehr
den Studenten in Tübingen zeigen wollte. Zurück in Deutschland sprang der Funke
sofort auf die Studenten über und sie wollten im Rahmen eines Empirischen Pro-
jektseminares selber probieren, das Verhalten von Babys zu erforschen. Gesagt —
getan. Es machte uns große Freude, Neuland zu betreten und schon bald hatten wir
ein kleines eigenes Baby-Lab auf die Beine gestellt. Mein Mentor Fritz Wilkening
hielt mich zunächst für verrückt, ließ mich aber meinen eigenen Weg suchen und
finden. Auch ihm bin ich bis heute dankbar für die Freiheit, die er mir gewährt hat!
Wenig später beantragte ich im Rahmen der Forschergruppe Kognitive Entwicklung
ein eigenes DFG-Projekt. Noch während der Projektlaufzeit bekam ich mein erstes
Kind: Helena, und durfte das neu gewonnene theoretisches Wissen gleich in der Pra-
xis erproben. Zeitweise war die Doppelbelastung mit Familie und Beruf sehr hoch,
weil mein damaliger Mann erst in Bremen und später in Magdeburg als Professor
arbeitete und ich unter der Woche auf mich alleine gestellt war. Gegen Ende der
Assistentenzeit erhielt ich ein Stellenangebot bei Prof. Urs Führer an der Universität
Magdeburg. Ich sollte dort ein Diagnostik-, Interventions- und Evaluationszentrum
aufbauen. So zog ich mit Kind und Kegel nach Magdeburg und begann mit der Ein-
richtung einer systemischen Familienberatungsstelle. Parallel dazu forschte ich wei-
ter und gründete gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern aus Berlin, Potsdam und
Leipzig eine DFG-Forschergruppe zum Thema Sprachentwicklung. Im Rahmen
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften