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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2011 — 2012

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I. Das Geschäftsjahr 2011
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Antrittsreden
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Leuthold, Jürg: Antrittsrede von Herrn Jürg Leuthold an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 22. Januar 2011
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https://doi.org/10.11588/diglit.55657#0160
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Juerg Leuthold

179

tatsächlich auch über ein halbes Jahr hinzogen. Mein Freund Chuck Joyner war
besorgt — mein Chef verstimmt. Die amerikanischen Kollegen tasteten sich iterativ
nach vorn und hatten alle zwei Wochen ein Resultat. Der junge Europäer hatte
nichts. Die Verstimmung war so groß, dass man mir über Neujahr keine Ferien
genehmigte. Im Januar war es dann aber soweit: mein erster Chip war prozessiert und
funktionierte auf Anhieb bei 100 Gbit/s. Das war mehr als lOmal besser als alle Vor-
gängerchips bei den Bell Labs und ein absoluter Rekord. In dieser Zeit, im März
2000, setzte der Telekom-Boom ein, die OFC verzeichnete 30000 Besucher und
hatte so viele Einreichungen wie noch nie. Mein Chip wurde zu den 40 besten
Arbeiten gewählt und konnte präsentiert werden.
Nach meiner Rückkehr von der Konferenz war alles anders. Noch am glei-
chen Morgen erhielt ich ein eigenes Büro. Ein Palm Organizer stand auf meinem
Tisch. Ich erhielt ein eigenes Labor — welches zu meinem Schrecken allerdings völ-
lig leer war. Chuck Joyner bemerkte meine Überraschung und erklärte: „You are
now a principle investigator. It is a tradition that a principle investigator builds up his
own lab. If you are one of us, you will find the money and means to set it up.” Ich
zog mich in mein Büro zurück und überlegte mir Strategien zu einer Laborausstat-
tung. Es war schon Abend und die Chefs waren weg, da klopfte es an der Tür. Es war
wie gesagt die Zeit des Telekom-Booms. Ein anderer Mitarbeiter, welcher ebenfalls
erfolgreich ein Postdeadline Paper an der OFC eingereicht hatte, hatte ein Jobange-
bot erhalten, welchem er nicht widerstehen konnte, und kehrte gar nicht mehr
zurück. Chuck führte mich ins hiermit verwaiste Lab dieses Mitarbeiters, wo bereits
zahlreiche andere Mitarbeiter eingetroffen waren. Wir teilten die Laborausstattung
brüderlich auf und ließen so ein anderes Lab leer zurück. So kam ich wenigstens zu
einer ersten Ausstattung. Effizient war es nicht — viel war mir bei der Teilung nicht
zugefallen.
Ich bemerkte dann allerdings, dass mein Nachbar, Bob Beringer, in seinem Lab
noch freie Kapazitäten hatte. So machte ich ihm den Vorschlag, unsere beiden Labors
doch zusammen zu legen. Nachdem er meine bescheidenen Besitztümer begutach-
tet hatte, lachte er laut auf und sagte: „Jürg, that is a great idea - let’s do it!“. Nun,
ich konnte seinen Sarkasmus verstehen und fand mich damit ab, dass ich mit mei-
nem Versuch gescheitert war. Als ich am nächsten Morgen bei den Bell Labs ankam,
hörte ich aus der Richtung meines Lab laute Sägegeräusche. Es war 9 Uhr morgens
und die Wand zwischen meinem Lab und Beringers Lab war weg. Zwei Tage später
waren unsere Labs vereint, sämtliche Strom und Gasanschlüsse funktionierten wie-
der. Vier Wochen später wechselte auch Bob zu einer Start-up. Die Vereinigung der
beiden Labs war sein Abschiedsgeschenk an mich. Er hatte das Lab der brüderlichen
Aufteilung entzogen und es einfach mir vermacht. Nun konnte ich arbeiten.
Im Sommer kam Alistair Glass, der Vice-President Research, zu Besuch. Mein
Chip wurde vorgeführt. Alistair Glass verließ den Raum sichtlich beeindruckt. Er
blieb unter der Tür stehen und kam wieder zurück. In der Hand hatte er seine Kre-
ditkarte und meinte: „Jürg, I want you to make a real System demonstration. Here is
my card. You may Charge it up to 100 k$. If you need more let me know.“ Nun
konnte ich ausbauen. Die Experimente glückten. In der Zwischenzeit hatten wir
 
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