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ANTRITTSREDEN
ponist und Dirigent gestalten. Dass meine Eltern dieses Vorhaben ein wenig nüch-
terner sahen und vor allem mit größerer Besorgnis darauf verwiesen, dass man
später auch von irgendetwas leben müsse, führte zu längeren Diskussionen, die
schließlich in einen Kompromiss mündeten: Ich sollte das Studium der Schulmusik
aufnehmen, da die Möglichkeit des Lehrerberufes eine finanzielle Absicherung
gewährleisten konnte. Daraus aber resultierte die Erfordernis, sich nach einem wei-
teren Lehramtsfach umzusehen. Rationale Erwägungen, bei denen für mich damals
vor allem der geringste zu erwartende Zeitaufwand im Vordergrund stand, führten
mich zu Sprachen, mit denen ich während der Schulzeit die geringsten Probleme
hatte: Griechisch und Latein.
Und nun begann die bereits angesprochene Kette von Zufällen: Während ich
mich auf die Aufnahmeprüfung für das Musikstudium vorbereitete, absolvierte ich
im Zivildienst die damals noch obligatorischen Eingangsprüfüngen für das Studium
der Klassischen Philologie an der Ruhr-Universität Bochum — mit Erfolg. Prompt
ließ der Elan beim Klavierüben rapide nach und ich verlegte mich erst einmal auf
die Antike; Beethoven und Rachmaninow verschwanden im Regal, Horaz und
Thukydides traten an ihre Stelle. Weiteren Empfehlungen folgend nahm ich mit der
Geschichtswissenschaft noch ein drittes Fach hinzu, das aber lediglich begleitenden
Charakter besitzen sollte. Ausgerechnet in der Alten Geschichte wurde mir dann aber
bald eine Stelle als studentische Hilfskraft bei meinem späteren Doktorvater Karl-
Wilhelm Weiwei angeboten. Ihm gelang es dann auch sehr rasch, meine Interessen-
schwerpunkte nachhaltig von den Philologien auf die Geschichte zu verlagern. Nach
einiger Zeit schlug er mir vor, eine Dissertation über die Geschichte der Stadt Tarent
in der Antike zu verfassen. Ich begann, mich mit der Gründung Tarents durch spar-
tanische Siedler zu beschäftigen, und merkte schnell, dass dies zunächst eine gründ-
lichere Einarbeitung in die Geschichte des frühen Sparta erforderte. Aus diesen
Anfängen entstand schließlich meine Dissertation, die unter dem Titel „Aristokraten
und Damoden“ der Entwicklung des spartanischen Gemeinwesens im 7. Jahrhundert
v. Chr. nachgeht (1998). Die Leitfrage der Arbeit, die sich bald aus den Recherchen
ergab, steht in engem Zusammenhang mit der Grundfrage der modernen Spartafor-
schung überhaupt: Kann man Sparta als Sonderfall innerhalb der griechischen
Geschichte betrachten? Und wenn dies so wäre - welche Faktoren wären dann für
diese spezifische Entwicklung ausschlaggebend? Zur Beantwortung dieser Fragen
richtete ich den Blick vor allem auf die inneren Verhältnisse Spartas, die bis dahin
aufgrund der lückenhaften Überlieferung noch nicht näher untersucht worden
waren. Auch ich konnte kein neues Quellenmaterial herbeizaubern, doch gelang es
mir, unter Rückgriff auf ethnologische Ansätze und die Methode des historischen
Vergleichs aristokratische Gruppierungen als stete Unruheherde und potentiell
gefährliche Vereinigungen zu identifizieren, die während des 7. Jahrhunderts wieder-
holt heikle Situationen heraufbeschworen haben müssen (eine dieser Situationen
führte, wie sich dann zeigen sollte, zur Gründung Tarents); das Bemühen, diese
Gruppen unter Kontrolle zu bringen und allmählich zu domestizieren, dürfte — so
meine Hauptthese - eine der wesentlichen Ursachen für die Herausbildung der
spezifisch spartanischen Ordnung gewesen sein, die mit ihren Männermahlzeiten, der
ANTRITTSREDEN
ponist und Dirigent gestalten. Dass meine Eltern dieses Vorhaben ein wenig nüch-
terner sahen und vor allem mit größerer Besorgnis darauf verwiesen, dass man
später auch von irgendetwas leben müsse, führte zu längeren Diskussionen, die
schließlich in einen Kompromiss mündeten: Ich sollte das Studium der Schulmusik
aufnehmen, da die Möglichkeit des Lehrerberufes eine finanzielle Absicherung
gewährleisten konnte. Daraus aber resultierte die Erfordernis, sich nach einem wei-
teren Lehramtsfach umzusehen. Rationale Erwägungen, bei denen für mich damals
vor allem der geringste zu erwartende Zeitaufwand im Vordergrund stand, führten
mich zu Sprachen, mit denen ich während der Schulzeit die geringsten Probleme
hatte: Griechisch und Latein.
Und nun begann die bereits angesprochene Kette von Zufällen: Während ich
mich auf die Aufnahmeprüfung für das Musikstudium vorbereitete, absolvierte ich
im Zivildienst die damals noch obligatorischen Eingangsprüfüngen für das Studium
der Klassischen Philologie an der Ruhr-Universität Bochum — mit Erfolg. Prompt
ließ der Elan beim Klavierüben rapide nach und ich verlegte mich erst einmal auf
die Antike; Beethoven und Rachmaninow verschwanden im Regal, Horaz und
Thukydides traten an ihre Stelle. Weiteren Empfehlungen folgend nahm ich mit der
Geschichtswissenschaft noch ein drittes Fach hinzu, das aber lediglich begleitenden
Charakter besitzen sollte. Ausgerechnet in der Alten Geschichte wurde mir dann aber
bald eine Stelle als studentische Hilfskraft bei meinem späteren Doktorvater Karl-
Wilhelm Weiwei angeboten. Ihm gelang es dann auch sehr rasch, meine Interessen-
schwerpunkte nachhaltig von den Philologien auf die Geschichte zu verlagern. Nach
einiger Zeit schlug er mir vor, eine Dissertation über die Geschichte der Stadt Tarent
in der Antike zu verfassen. Ich begann, mich mit der Gründung Tarents durch spar-
tanische Siedler zu beschäftigen, und merkte schnell, dass dies zunächst eine gründ-
lichere Einarbeitung in die Geschichte des frühen Sparta erforderte. Aus diesen
Anfängen entstand schließlich meine Dissertation, die unter dem Titel „Aristokraten
und Damoden“ der Entwicklung des spartanischen Gemeinwesens im 7. Jahrhundert
v. Chr. nachgeht (1998). Die Leitfrage der Arbeit, die sich bald aus den Recherchen
ergab, steht in engem Zusammenhang mit der Grundfrage der modernen Spartafor-
schung überhaupt: Kann man Sparta als Sonderfall innerhalb der griechischen
Geschichte betrachten? Und wenn dies so wäre - welche Faktoren wären dann für
diese spezifische Entwicklung ausschlaggebend? Zur Beantwortung dieser Fragen
richtete ich den Blick vor allem auf die inneren Verhältnisse Spartas, die bis dahin
aufgrund der lückenhaften Überlieferung noch nicht näher untersucht worden
waren. Auch ich konnte kein neues Quellenmaterial herbeizaubern, doch gelang es
mir, unter Rückgriff auf ethnologische Ansätze und die Methode des historischen
Vergleichs aristokratische Gruppierungen als stete Unruheherde und potentiell
gefährliche Vereinigungen zu identifizieren, die während des 7. Jahrhunderts wieder-
holt heikle Situationen heraufbeschworen haben müssen (eine dieser Situationen
führte, wie sich dann zeigen sollte, zur Gründung Tarents); das Bemühen, diese
Gruppen unter Kontrolle zu bringen und allmählich zu domestizieren, dürfte — so
meine Hauptthese - eine der wesentlichen Ursachen für die Herausbildung der
spezifisch spartanischen Ordnung gewesen sein, die mit ihren Männermahlzeiten, der