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ANTRITTSREDEN
Forschungsprojekt vergleicht, wiederum mit Unterstützung der DFG, gesellschaft-
liche Strukturen und politische Institutionen im archaischen Griechenland mit jenen
im mittelalterlichen Island. Die Mittelalterliche Geschichte ist mir in den letzten Jah-
ren insbesondere für meine spätrömischen Interessen ein wichtiger Gesprächspartner
geworden, und umso glücklicher bin ich, dass es in Tübingen zur Zeit in besonders
günstiger Weise möglich ist, unter neuen Fragestellungen über das komplexe Pro-
blem des Übergangs von der Antike ins Mittelalter nachzudenken. Dabei verfolge ich
aktuell mit meinem Kollegen aus der Mediävistik, Steffen Patzold, einen neuen
Ansatz, der den Prozess des Auseinanderdriftens der ehemaligen West- und der
Osthälfte des Römischen Reiches zwischen den Epochen untersucht und sich zum
Ziel gesetzt hat, aus dieser Perspektive den Epochenübergang schärfer zu fassen und
neu zu konzeptionalisieren.
Epochenübergänge grundsätzlich neu zu überdenken - dies stellt auch ein
leitendes Interesse unseres neuen Tübinger Sonderforschungsbereichs „Bedrohte
Ordnungen“ dar, vor allem mit Blick auf die Dichotomie Vormoderne und Moder-
ne. Nachdem ich in meinen Bielefelder Jahren Argumente gegen den traditionellen
Dreischritt Antike-Mittelalter-Neuzeit kennenlernen und zugunsten der Gliederung
in Vormoderne und Moderne wenden durfte, stellt es sich für mich nun als ganz
besondere Herausforderung dar, auch dieses Paradigma kritisch zu hinterfragen.
Ein derart hochgestecktes Ziel lässt sich nur in intensiver Zusammenarbeit mit
Kolleginnen und Kollegen aus den späteren Epochen und aus anderen Disziplinen
erreichen. Ich denke, dass für eine solche Art des gemeinsamen Arbeitens in Tübin-
gen zur Zeit optimale Voraussetzungen bestehen. Ähnliche Erkenntnisinteressen, eine
stete Gesprächsbereitschaft, ein offenes Diskussionsklima und ein großes Interesse am
Tun des jeweils Anderen prägen aktuell das Arbeitsklima in Tübingen, und ich hoffe,
im Kontext der Projekte, mit denen wir uns momentan gemeinsam beschäftigen,
meinen Anteil zum Gelingen beitragen zu können. Es war u.a. diese Atmosphäre, die
mich dazu bewog, nicht in meine Heimat nach Bochum zurückzukehren, sondern
in Tübingen zu bleiben.
Denn auch meine Familie hat inzwischen in Schwaben Fuß gefasst und zieht
in Reutlingen ihre Kreise. Dort musiziere ich mit meiner zehnjährigen Tochter vier-
händig am Klavier - sofern ich die Zeit dazu habe (leider viel zu selten); und ich
setze meine Hoffnungen auf eine mögliche Fußballerkarriere meines Sohnes. Da er
erst fünf Jahre alt ist, hat er auch noch Zeit, sich entsprechend zu entwickeln...
Gerade in heutigen Zeiten wird man unweigerlich immer wieder mit der
Frage konfrontiert, was es eigentlich bedeutet, Althistoriker zu sein und worin der
spezifische Beitrag beruht, den man als solcher zu leisten imstande ist. Das ist eine
Frage, über die ich selbst viel nachgedacht habe und die nicht einfach zu beantwor-
ten ist. Wenn ich aber in Zeitungen und andere aktuelle Medien blicke oder auch
neuere Publikationen aus gegenwartsnah arbeitenden sozialwissenschaftlichen
Fächern durchsehe, dann kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, permanent
mit Suchbewegungen konfrontiert zu werden. Ich denke, dass den historischen
Disziplinen im Kontext solcher Orientierungsbedürfnisse eine besondere Verant-
wortung zukommt — ganz unabhängig, ob sie sich mit der Antike, dem Mittelalter
ANTRITTSREDEN
Forschungsprojekt vergleicht, wiederum mit Unterstützung der DFG, gesellschaft-
liche Strukturen und politische Institutionen im archaischen Griechenland mit jenen
im mittelalterlichen Island. Die Mittelalterliche Geschichte ist mir in den letzten Jah-
ren insbesondere für meine spätrömischen Interessen ein wichtiger Gesprächspartner
geworden, und umso glücklicher bin ich, dass es in Tübingen zur Zeit in besonders
günstiger Weise möglich ist, unter neuen Fragestellungen über das komplexe Pro-
blem des Übergangs von der Antike ins Mittelalter nachzudenken. Dabei verfolge ich
aktuell mit meinem Kollegen aus der Mediävistik, Steffen Patzold, einen neuen
Ansatz, der den Prozess des Auseinanderdriftens der ehemaligen West- und der
Osthälfte des Römischen Reiches zwischen den Epochen untersucht und sich zum
Ziel gesetzt hat, aus dieser Perspektive den Epochenübergang schärfer zu fassen und
neu zu konzeptionalisieren.
Epochenübergänge grundsätzlich neu zu überdenken - dies stellt auch ein
leitendes Interesse unseres neuen Tübinger Sonderforschungsbereichs „Bedrohte
Ordnungen“ dar, vor allem mit Blick auf die Dichotomie Vormoderne und Moder-
ne. Nachdem ich in meinen Bielefelder Jahren Argumente gegen den traditionellen
Dreischritt Antike-Mittelalter-Neuzeit kennenlernen und zugunsten der Gliederung
in Vormoderne und Moderne wenden durfte, stellt es sich für mich nun als ganz
besondere Herausforderung dar, auch dieses Paradigma kritisch zu hinterfragen.
Ein derart hochgestecktes Ziel lässt sich nur in intensiver Zusammenarbeit mit
Kolleginnen und Kollegen aus den späteren Epochen und aus anderen Disziplinen
erreichen. Ich denke, dass für eine solche Art des gemeinsamen Arbeitens in Tübin-
gen zur Zeit optimale Voraussetzungen bestehen. Ähnliche Erkenntnisinteressen, eine
stete Gesprächsbereitschaft, ein offenes Diskussionsklima und ein großes Interesse am
Tun des jeweils Anderen prägen aktuell das Arbeitsklima in Tübingen, und ich hoffe,
im Kontext der Projekte, mit denen wir uns momentan gemeinsam beschäftigen,
meinen Anteil zum Gelingen beitragen zu können. Es war u.a. diese Atmosphäre, die
mich dazu bewog, nicht in meine Heimat nach Bochum zurückzukehren, sondern
in Tübingen zu bleiben.
Denn auch meine Familie hat inzwischen in Schwaben Fuß gefasst und zieht
in Reutlingen ihre Kreise. Dort musiziere ich mit meiner zehnjährigen Tochter vier-
händig am Klavier - sofern ich die Zeit dazu habe (leider viel zu selten); und ich
setze meine Hoffnungen auf eine mögliche Fußballerkarriere meines Sohnes. Da er
erst fünf Jahre alt ist, hat er auch noch Zeit, sich entsprechend zu entwickeln...
Gerade in heutigen Zeiten wird man unweigerlich immer wieder mit der
Frage konfrontiert, was es eigentlich bedeutet, Althistoriker zu sein und worin der
spezifische Beitrag beruht, den man als solcher zu leisten imstande ist. Das ist eine
Frage, über die ich selbst viel nachgedacht habe und die nicht einfach zu beantwor-
ten ist. Wenn ich aber in Zeitungen und andere aktuelle Medien blicke oder auch
neuere Publikationen aus gegenwartsnah arbeitenden sozialwissenschaftlichen
Fächern durchsehe, dann kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, permanent
mit Suchbewegungen konfrontiert zu werden. Ich denke, dass den historischen
Disziplinen im Kontext solcher Orientierungsbedürfnisse eine besondere Verant-
wortung zukommt — ganz unabhängig, ob sie sich mit der Antike, dem Mittelalter