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ANTRITTSREDEN
rika unter der Leitung von Sally McBrearty. Mit dem Ziel, ein vollständigeres Bild
der Adaptionen von Neandertalern zu gewinnen, als es mit den Arbeiten in den
Vulkankratern der Osteifel möglich war, unternahm ich während meiner Zeit an der
University of Connecticut neue Ausgrabungen an der bedeutenden Fundstelle
Wallertheim in Rheinhessen. Wallertheim war seit den innovativen Ausgrabungen in
den 1920er Jahren unter der Leitung Otto Schmidtgens berühmt. Wie beim
Tönchesberg konnte ich Geldmittel beschaffen und eine internationale Mannschaft
aus Forschern und Studenten für die Arbeiten in Wallertheim zusammenstellen.
Diese Arbeiten wurden in der Folge in zahlreichen Aufsätzen publiziert und tragen
zur Vervollständigung unseres Verständnisses von der komplexen Verhaltensdiversität
der Neandertaler bei, wie sie sich im archäologischen Befund ablesen lässt. Ich freue
mich besonders, im Rückblick festzustellen, dass verschiedene meiner Studenten aus
Yale und der University of Connecticut selbst zu sehr erfolgreichen Archäologen
geworden sind.
Im Jahre 1993 bewilligte mir die Alexander von Humboldt-Stiftung ein zwei-
jähriges Forschungsstipendium für meine Arbeiten in Wallertheim. Erneut hieß mich
Prof. Bosinski als Gastgeber in Monrepos willkommen und gewährte mir Zugang
zu den Einrichtungen im Forschungsbereich Altsteinzeit. Meine Mannschaft grub
18 Monate lang in Wallertheim, wohnte während der Woche in Zelten und
am Wochenende im Prinzessinnenschloss in Monrepos. Ich bin der Humboldt-Stif-
tung noch immer dankbar dafür, dass sie diese Zeit intensiver Forschung ermöglicht
hat.
Genau zu dieser Zeit bewarb ich mich um die Nachfolge von Hansjürgen
Müller-Beck an der Universität Tübingen. Die Stelle als Leiter der Abteilung Altere
Urgeschichte und Quartärökologie passte ausgezeichnet zu meinem wissenschaft-
lichen Hintergrund sowie zu meinen Interessen, da sie die Bedeutung der Arbeit an
der Schnittstelle zwischen Natur- und Geisteswissenschaften unterstrich. Ende 1994
erhielt ich den Ruf der Geowissenschaftlichen Fakultät und trat meine Stelle in
Tübingen nach der obligatorischen sechsmonatigen Stellensperre im Sommer 1995
an. Ich betrachtete diesen Ruf auf den ältesten und renommiertesten Lehrstuhl für
Paläolithische Archäologie als große Ehre undVertrauensvorschuss. Seitdem habe ich
mein Bestes gegeben, die Abteilung auszubauen, und gegenwärtig arbeite ich daran,
Tübingen zu einem der führenden internationalen Zentren für Paläolithische
Archäologie und menschliche Evolution zu machen. Mit diesem Ziel vor Augen und
mit Unterstützung zahlreicher Kolleginnen und Kollegen war es möglich, ein höchst
erfolgreiches Programm für Paläoanthropologie aufzustellen und ein neues Institut
für Naturwissenschaftliche Archäologie zu etablieren. Dank der Unterstützung durch
die Universitätsleitung, die Carl-Zeiss-Stiftung und die Senckenberg Gesellschaft für
Naturforschung gelang es, das Tübingen-Senckenberg Center for Human Evolution
and Paleoecology (HEP) und, finanziert durch die Heidelberger Akademie der
Wissenschaften, das Langzeitprojekt ,The Role of Culture in Early Expansions of
Humans‘ (ROCEEH) ins Leben zu rufen. Wegen dieser bedeutenden Zusammen-
arbeit bin ich besonders stolz, als Mitglied der Akademie willkommen geheißen zu
werden und heute vor dieser illustren Schar von Gelehrten zu sprechen.
ANTRITTSREDEN
rika unter der Leitung von Sally McBrearty. Mit dem Ziel, ein vollständigeres Bild
der Adaptionen von Neandertalern zu gewinnen, als es mit den Arbeiten in den
Vulkankratern der Osteifel möglich war, unternahm ich während meiner Zeit an der
University of Connecticut neue Ausgrabungen an der bedeutenden Fundstelle
Wallertheim in Rheinhessen. Wallertheim war seit den innovativen Ausgrabungen in
den 1920er Jahren unter der Leitung Otto Schmidtgens berühmt. Wie beim
Tönchesberg konnte ich Geldmittel beschaffen und eine internationale Mannschaft
aus Forschern und Studenten für die Arbeiten in Wallertheim zusammenstellen.
Diese Arbeiten wurden in der Folge in zahlreichen Aufsätzen publiziert und tragen
zur Vervollständigung unseres Verständnisses von der komplexen Verhaltensdiversität
der Neandertaler bei, wie sie sich im archäologischen Befund ablesen lässt. Ich freue
mich besonders, im Rückblick festzustellen, dass verschiedene meiner Studenten aus
Yale und der University of Connecticut selbst zu sehr erfolgreichen Archäologen
geworden sind.
Im Jahre 1993 bewilligte mir die Alexander von Humboldt-Stiftung ein zwei-
jähriges Forschungsstipendium für meine Arbeiten in Wallertheim. Erneut hieß mich
Prof. Bosinski als Gastgeber in Monrepos willkommen und gewährte mir Zugang
zu den Einrichtungen im Forschungsbereich Altsteinzeit. Meine Mannschaft grub
18 Monate lang in Wallertheim, wohnte während der Woche in Zelten und
am Wochenende im Prinzessinnenschloss in Monrepos. Ich bin der Humboldt-Stif-
tung noch immer dankbar dafür, dass sie diese Zeit intensiver Forschung ermöglicht
hat.
Genau zu dieser Zeit bewarb ich mich um die Nachfolge von Hansjürgen
Müller-Beck an der Universität Tübingen. Die Stelle als Leiter der Abteilung Altere
Urgeschichte und Quartärökologie passte ausgezeichnet zu meinem wissenschaft-
lichen Hintergrund sowie zu meinen Interessen, da sie die Bedeutung der Arbeit an
der Schnittstelle zwischen Natur- und Geisteswissenschaften unterstrich. Ende 1994
erhielt ich den Ruf der Geowissenschaftlichen Fakultät und trat meine Stelle in
Tübingen nach der obligatorischen sechsmonatigen Stellensperre im Sommer 1995
an. Ich betrachtete diesen Ruf auf den ältesten und renommiertesten Lehrstuhl für
Paläolithische Archäologie als große Ehre undVertrauensvorschuss. Seitdem habe ich
mein Bestes gegeben, die Abteilung auszubauen, und gegenwärtig arbeite ich daran,
Tübingen zu einem der führenden internationalen Zentren für Paläolithische
Archäologie und menschliche Evolution zu machen. Mit diesem Ziel vor Augen und
mit Unterstützung zahlreicher Kolleginnen und Kollegen war es möglich, ein höchst
erfolgreiches Programm für Paläoanthropologie aufzustellen und ein neues Institut
für Naturwissenschaftliche Archäologie zu etablieren. Dank der Unterstützung durch
die Universitätsleitung, die Carl-Zeiss-Stiftung und die Senckenberg Gesellschaft für
Naturforschung gelang es, das Tübingen-Senckenberg Center for Human Evolution
and Paleoecology (HEP) und, finanziert durch die Heidelberger Akademie der
Wissenschaften, das Langzeitprojekt ,The Role of Culture in Early Expansions of
Humans‘ (ROCEEH) ins Leben zu rufen. Wegen dieser bedeutenden Zusammen-
arbeit bin ich besonders stolz, als Mitglied der Akademie willkommen geheißen zu
werden und heute vor dieser illustren Schar von Gelehrten zu sprechen.