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NACHRUFE
Kurz nach dem Ruf nach Heidelberg (1975) legte Geza Alföldy das bedeu-
tendste Werk der ersten Phase seiner akademischen Laufbahn vor: Konsulat und Sena-
torenstand unter den Antoninen. Prosopographische Untersuchungen zur senatorischen
Führungsschicht (Bonn 1977). Hier zeigte er in eindrucksvoller Weise, wie die aus
einer Fülle von Inschriften gewonnenen Detailinformationen für die Geschichte der
römischen Reichsaristokratie nutzbar gemacht werden können. Dieses Werk inspi-
rierte eine ganze Reihe analoger Untersuchungen und bleibt heute noch eine wich-
tige Grundlage für das Studium der römischen Elite. Über die Prosopographie, vor
allem über das Studium der Laufbahnen und der sozialen Netzwerke der römischen
Senatoren, kam Alföldy zur Sozialgeschichte der römischen Kaiserzeit. Seine in acht
Sprachen übersetzte Römische Sozialgeschichte erschien in erster Auflage im Jahr 1975.
Es war ein mutiger Versuch, einen Überblick über die Entwicklung der römischen
Gesellschaft von den Anfängen bis zur Spätantike zu bieten und die spezifischen Fak-
toren zu identifizieren, die den gesellschaftlichen Wandel bedingten. Mit diesem
Werk, dessen vierte grundlegend überarbeitete Auflage kurz vor Alöfldys Tod 2011
erschienen ist und das sich somit mehr als 30 Jahre als das wichtigste Handbuch auf
diesem Gebiet bewährte, zeigte Alföldy seine umfassenden Kenntnisse der Literatur,
Archäologie und Epigraphik der römischen Zeit und vor allem seinen ausgeprägten
Sinn für Systematik. „Aus dreierlei Gründen: erstens ..., zweitens ..., drittens ...“ war
seine Lieblingsformulierung — auch z. B. bei der Zusammenfassung manchmal
chaotischer Vorträge eingeladener Gäste. Die besten und originellsten Abschnitte des
Buches basierten auf eigenen epigraphischen und prosopographischen Forschungen
- über die Rolle der Eliten, die gesellschaftliche Rolle des Kaisers, die kaiserzeit-
liche Sklaverei, die soziale Mobilität und den Aufstieg von Männern aus den römi-
schen Provinzen. Alföldy deutete die römische Gesellschaft, vor allem in der Kaiser-
zeit, als ein stark hierarchisches Gefüge von Schichten und Ständen, das aber auch
Aufstieg aufgrund von Leistung und Netzwerken zuließ. Man kann sich fragen, ob
dieses Interesse an sozialer Mobilität nicht auch durch den eigenen Lebenslauf
erweckt oder zumindest verstärkt wurde: Alföldy stieg vom Immigranten bis zum
Träger des Bundesverdienstkreuzes auf, und eine gewisse Parallelität zwischen der
akademischen Laufbahn und der römischen militärischen Laufbahn und dem cursus
honorum der Männer aus den Eliten ist nicht zu leugnen. Die von ihm entworfene
Sozialpyramide ist bis heute ein viel diskutiertes und einflussreiches Deutungsmodell
der römischen Gesellschaft. Weitere kleinere Arbeiten präzisierten Alföldys Bild von
der römischen Gesellschaft und ihrer Struktur; der Aufsatz „Drei städtische Eliten im
römischen Hispanien“ (Gerion 2, 1984, 193—238) sei hier stellvertretend für viele
Beiträge genannt. Einige seiner wichtigeren Beiträge sammelte er in den Bänden Die
römische Gesellschaft. Ausgewählte Beiträge (Stuttgart 1986) und Städte, Eliten und Gesell-
schaft in der Gallia Cisalpina: Epigraphisch-historische Untersuchungen (Stuttgart 1999).
Eine wichtige Wende in Alföldys Forschungstätigkeit brachte die Verleihung
des Gottfried Wilhelm Leibniz-Preises der DFG im Jahr 1986. Er nutzte die ihm zur
Verfügung gestellten Mittel für den Aufbau einer elektronischen Datenbank zur
römischen Epigraphik. Dies war in den 80er Jahren, als erst wenige Geisteswissen-
schaftler mit dem Computer arbeiteten, eine Pionierleistung. Durch dieses Projekt,
NACHRUFE
Kurz nach dem Ruf nach Heidelberg (1975) legte Geza Alföldy das bedeu-
tendste Werk der ersten Phase seiner akademischen Laufbahn vor: Konsulat und Sena-
torenstand unter den Antoninen. Prosopographische Untersuchungen zur senatorischen
Führungsschicht (Bonn 1977). Hier zeigte er in eindrucksvoller Weise, wie die aus
einer Fülle von Inschriften gewonnenen Detailinformationen für die Geschichte der
römischen Reichsaristokratie nutzbar gemacht werden können. Dieses Werk inspi-
rierte eine ganze Reihe analoger Untersuchungen und bleibt heute noch eine wich-
tige Grundlage für das Studium der römischen Elite. Über die Prosopographie, vor
allem über das Studium der Laufbahnen und der sozialen Netzwerke der römischen
Senatoren, kam Alföldy zur Sozialgeschichte der römischen Kaiserzeit. Seine in acht
Sprachen übersetzte Römische Sozialgeschichte erschien in erster Auflage im Jahr 1975.
Es war ein mutiger Versuch, einen Überblick über die Entwicklung der römischen
Gesellschaft von den Anfängen bis zur Spätantike zu bieten und die spezifischen Fak-
toren zu identifizieren, die den gesellschaftlichen Wandel bedingten. Mit diesem
Werk, dessen vierte grundlegend überarbeitete Auflage kurz vor Alöfldys Tod 2011
erschienen ist und das sich somit mehr als 30 Jahre als das wichtigste Handbuch auf
diesem Gebiet bewährte, zeigte Alföldy seine umfassenden Kenntnisse der Literatur,
Archäologie und Epigraphik der römischen Zeit und vor allem seinen ausgeprägten
Sinn für Systematik. „Aus dreierlei Gründen: erstens ..., zweitens ..., drittens ...“ war
seine Lieblingsformulierung — auch z. B. bei der Zusammenfassung manchmal
chaotischer Vorträge eingeladener Gäste. Die besten und originellsten Abschnitte des
Buches basierten auf eigenen epigraphischen und prosopographischen Forschungen
- über die Rolle der Eliten, die gesellschaftliche Rolle des Kaisers, die kaiserzeit-
liche Sklaverei, die soziale Mobilität und den Aufstieg von Männern aus den römi-
schen Provinzen. Alföldy deutete die römische Gesellschaft, vor allem in der Kaiser-
zeit, als ein stark hierarchisches Gefüge von Schichten und Ständen, das aber auch
Aufstieg aufgrund von Leistung und Netzwerken zuließ. Man kann sich fragen, ob
dieses Interesse an sozialer Mobilität nicht auch durch den eigenen Lebenslauf
erweckt oder zumindest verstärkt wurde: Alföldy stieg vom Immigranten bis zum
Träger des Bundesverdienstkreuzes auf, und eine gewisse Parallelität zwischen der
akademischen Laufbahn und der römischen militärischen Laufbahn und dem cursus
honorum der Männer aus den Eliten ist nicht zu leugnen. Die von ihm entworfene
Sozialpyramide ist bis heute ein viel diskutiertes und einflussreiches Deutungsmodell
der römischen Gesellschaft. Weitere kleinere Arbeiten präzisierten Alföldys Bild von
der römischen Gesellschaft und ihrer Struktur; der Aufsatz „Drei städtische Eliten im
römischen Hispanien“ (Gerion 2, 1984, 193—238) sei hier stellvertretend für viele
Beiträge genannt. Einige seiner wichtigeren Beiträge sammelte er in den Bänden Die
römische Gesellschaft. Ausgewählte Beiträge (Stuttgart 1986) und Städte, Eliten und Gesell-
schaft in der Gallia Cisalpina: Epigraphisch-historische Untersuchungen (Stuttgart 1999).
Eine wichtige Wende in Alföldys Forschungstätigkeit brachte die Verleihung
des Gottfried Wilhelm Leibniz-Preises der DFG im Jahr 1986. Er nutzte die ihm zur
Verfügung gestellten Mittel für den Aufbau einer elektronischen Datenbank zur
römischen Epigraphik. Dies war in den 80er Jahren, als erst wenige Geisteswissen-
schaftler mit dem Computer arbeiteten, eine Pionierleistung. Durch dieses Projekt,