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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2011 — 2012

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I. Das Geschäftsjahr 2011
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Chaniōtēs, Angelos: Géza Alföldy (7. 6. 1935 – 6. 11. 2011)
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https://doi.org/10.11588/diglit.55657#0208
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Geza Alföldy

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das 1993 von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften übernommen wurde,
stellte er der internationalen Altertumswissenschaft ein wichtiges und oft benutztes
Arbeitsmittel zur Verfügung. Alföldy leitete das Projekt unter Einsatz seiner ganzen
Arbeitskraft zwei Jahrzehnte (1986-2006). Das größte Interesse Alföldys galt vom
Beginn seiner wissenschaftlichen Tätigkeit an den Inschriften. Lange bevor er sein
erstes epigraphisches Corpus (Die römischen Inschriften von Tarraco, Berlin 1975) vor-
legte, hatte er sich einen Namen als Editor lateinischer Inschriften gemacht. Aber erst
seit Beginn des „Leibniz-Projektes“ beschäftigte er sich verstärkt mit der Edition, der
verbesserten Lesung und der Ergänzung von Inschriften. In den 25 Jahren nach der
Verleihung des Preises veröffentlichte er hierzu mehr als 200 Aufsätze und einige
Bücher und Corpora. Erst dank seiner editorischen Arbeit machten längst bekannte
oder stark fragmentarisch überlieferte Inschriften Sinn, wie etwa der Grabstein des
Tacitus („Bricht der Schweigsame sein Schweigen? Eine Grabinschrift aus Rom“,
Römische Mitteilungen 102, 1995, 251-268), die Bauinschrift des aus der Beute des
jüdischen Krieges errichteteten Colosseum („Eine Bauinschrift aus dem Colosse-
um“, Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 109, 1995, 195-226), die Inschrift des
Pontius Pilatus am Hafen von Caesarea („Pontius Pilatus und das Tiberieum von
Caesarea Maritima“, Scripta Classica Israelica 18, 1999, 85-108) und die Inschriften
eines von der ägyptischen Religion beeinflussten Heiligtums im äußersten Westen
des Reiches, in Portugal („Die Mysterien von Panöias (Vila Real, Portugal)“, Mad-
rider Mitteilungen 38,1997, 176-246).Wegweisend für die lateinische Epigraphik sind
die Bände des Corpus Inscriptionum Latinarum (CIL), in denen er als (Mit)Verfasser
füngierte sowie die Beiträge jüngerer Mitautoren betreute und redigierte. Diese
Bände, die die Inschriften von Tarraco (CIL II2.14.1, Berlin 1995; CIL II2.14.2, Ber-
lin 2011; CIL II2.14.3—4, im Druck) und die kaiserlichen und senatorischen Inschrif-
ten Roms (CIL VI.8.2, Berlin 1996; CIL VI.8.3, Berlin 2000) präsentierten, sind
Referenzwerke von bleibendem Wert. Ergebnis seiner epigraphischen Tätigkeit in
Spanien ist auch sein letztes Buch mit J. M. Abaseal, Segobriga V Inscripciones romanas
de Segobriga descubiertas entre los ahos 1986 y 2010 (im Druck). Alföldy kannte alle
Eigentümlichkeiten der römischen Inschriften und verstand sie wie kaum ein zwei-
ter als ein komplexes Kommunikationsmedium. Er war ein Spezialist auf jedem
Gebiet der römischen Gesellschaft, Geschichte, Kultur und Religion; und er
beherrschte die lateinische Sprache wie ein Römer. Wenn er eine fragmentarisch
überlieferte oder stark abgekürzte Inschrift las und ergänzte, versetzte er sich mühe-
los in die Situation des antiken Verfassers oder Lesers eines epigraphischen Textes, sei
es die eines Senators oder eines ungebildeten Soldaten aus der Provinz.
Wenn Alföldy zu den größten Gestalten der römischen Epigraphik gehört, so
liegt dies nicht allein darin begründet, dass er eine editorische Tradition fortsetzte,
die aufTheodor Mommsen zurückgeht. Er gab der Erforschung römischer Inschrif-
ten neue wichtige Impulse, nicht nur in technischen Aspekten (z. B. die Rekon-
struktion von Inschriften mit metallenen Buchstaben aufgrund der Dübellöcher),
sondern auch und vor allem in der Deutung von Inschriften als Medium der Kom-
munikation und der Propaganda, in der starken Berücksichtigung des Inschriftenträ-
gers und in der Nutzung der neuen Technologien bei der Präsentation von Inschrif-
 
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