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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2011 — 2012

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III. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
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B. Das WIN-Kolleg
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3. Forschungsschwerpunkt „Der menschliche Lebenszyklus – Biologische, gesellschaftliche, kulturelle Aspekte“
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Der Mensch ist so alt wie seine Stammzellen
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Religiöse und poetische Konstruktion der Lebensalter
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FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES

Alternserfahrung auf einen engen Zusammenhang von gesellschaftlicher Moderni-
sierung und Psychologisierung des Erzählens verweisen, die zu den beiden Jahrhun-
dertwenden jeweils besonders ausgeprägt waren. Die Erfindung des gefährlichen
Alters< als Krise der Lebensmitte wird in der Literatur gleichsam avant la lettre, noch
vor der Thematisierung der so genannten >midlife crisis< in der Psychologie als
erzähltes Altern erprobt und psycho-sozial gedeutet. Dies geschieht einerseits durch
eine zunehmende subjektivierte Sicht der Alternserfahrung und andererseits durch
die Resignifikation topischer Figurationen, etwa der Neubewertung von Liebespaa-
ren ungleichen Alters oder der Rehabilitation von Lust und Verlangen im Alter.
Im vergangenen Jahr wurde die Auswertung und Interpretation des Korpus,
das rund fünfzig Texte umfasst, vorangetrieben. In der vergleichenden Analyse wurde
deutlich, dass die zunächst nach inhaltlichen Kriterien ausgewählten Texte darüber
hinaus auffällige Ähnlichkeiten in der narrativen Darstellung aufweisen. Somit konn-
te die Annahme erhärtet werden, dass es sich um ein eigenes Genre handelt, in dem
traditionelle Motivkomplexe, vor allem das der ungleichen Paare, aus der Perspektive
des alternden Menschen neu gestaltet werden. Aufgrund der Ergebnisse des Projekts
wird vorgeschlagen, diese Gruppe von Texten, die sich nicht nur auf die deutsch-
sprachige Literatur beschränken, unter der Sammelbezeichnung >Alternsnarrativ<
zusammenzufassen. Sie weisen eine bemerkenswerte Stabilität des Titels auf („Eine
Frau von [...] Jahren“ oder „Mann von [...] Jahren“), der lediglich das Geschlecht
und die kritische Dekade variiert. Die genderspezifischen Unterschiede, wie etwa
die stärkere Skandalisierung der Beziehung einer älteren Frau zu einem jüngeren
Mann, werden im Alternsnarrativ eher dem Grad nach, jedoch nicht als grundsätz-
lich unterschiedlich thematisiert. Auch dies spricht für den Vorrang der Alterns-
erfahrung vor ihrer jeweils geschlechtsspezifischen Ausprägung. Die polyphone
Struktur und die verschiedenen Konfliktfigurationen der Narrative zeigen überdies,
dass in der Literatur die Krise der Lebensmitte nicht allein entwicklungspsycholo-
gisch gedeutet wird. Vielmehr kreuzen sich in den Alternsnarrativen mehrere Dis-
kurse, so die Rede vom Generationenkonflikt, der gender-differenzierte sexuelle
Diskurs und die Frage nach der krisenhaften Identität des Ich vor dem Hintergrund
eines zeitökonomischen Lebens.
Publikationen:
Thorsten Fitzon, Sandra Linden, Kathrin Liess u. Dorothee Elm (Hrsg): Alterszäsu-
ren. Zeit und Lebensalter in Literatur,Theologie und Geschichte. Berlin und New
York 2011 und 2012.
Dorothee Elm: Die Entgrenzung des Alter(n)s: Zur Kaiserpanegyrik in der Dichtung
des Statius und Martial. In: ebd., S. 237-260.
Thorsten Fitzon: Schwellenjahre — Zeitreflexion im Alternsnarrativ. Am Beispiel von
Arthur Schnitzlers Frau Beate und ihr Sohn. In: ebd., S. 405-432.
Kathrin Liess: „Jung bin ich gewesen und alt geworden“. Lebenszeit und Alter in den
Psalmen. In: ebd. S. 131-170.
Sandra Linden: für singen hust ich durch die kel. Das Memento mori in den Liedern
Oswalds von Wolkenstein. In: ebd., S. 323-353.
 
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