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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2011 — 2012

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III. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
DOI Kapitel:
C. Akademiekonferenzen für junge Wissenschaftler
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Bunčić, Daniel: Zweischriftigkeit - Soziolinguistische und kulturelle Szenarien: 18. bis 20. September 2011
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https://doi.org/10.11588/diglit.55657#0345
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FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES

sen beiden Schriftarten und ihren Zwischen- und Sonderformen informierte
Alexandra von Lieven (Berlin). Danach behandelte Sandra L. Lippert (Tübingen)
deren funktionale Abgrenzung von der ab 650 v. Chr. hinzukommenden demo-
tischen Schrift. Eine der vielschriftigsten Sprachen war das Alttürkische, das von ver-
schiedenen ethnisch-religiösen Gruppen in insgesamt neun verschiedenen Schriften
geschrieben wurde, worüberYukiyo Kasai (Berlin) berichtete. Terje Spurkland (Oslo)
informierte über das Altnordische, für das nach der Christianisierung insbesondere
auf Pergament die lateinische Schrift benutzt wurde; für in Holz geritzte Alltags-
texte wurden aber das ganze Mittelalter hindurch weiterhin Runen verwendet.
Ungefähr zur gleichen Zeit gab es eine ähnliche Situation in Novgorod, die Marina
Bobrik (Berlin) in einem gemeinsam mit Aleksej Gippius (Moskau) ausgearbeiteten
Vortrag diskutierte: Hier wurde in Texten auf Pergament die gleiche Orthographie
verwendet wie in Kiew, Alltagstexte auf Birkenrinde wurden jedoch in einer ande-
ren Orthographie geschrieben. Mit der russischen Sprache des 18. Jahrhunderts
befassten sich Achim Rabus (Freiburg) und Ekaterina Kislova (Moskau): Ersterer
untersuchte das Verhältnis zwischen der 1708 von Peter dem Großen eingeführten
,bürgerlichen“ Schriftart Grazdanka und der für kirchliche Texte weiterhin benutz-
ten ,altkyrillischen“ Azbuka. Daraufhin behandelte Kislova die orthographischen
Unterschiede zwischen in Azbuka und Grazdanka gedruckten Texten und hand-
schriftlichen Texten. Das Weiß russische, über das Anastasia Antipova (Tübingen) vor-
trug, wurde bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht nur kyrillisch, sondern
auch lateinisch geschrieben, wobei der Gebrauch dieser Schriften zunächst von der
Konfession abhing.
Einen Bogen vom 15. Jahrhundert bis in die Gegenwart spannte Jürgen Spitz-
müller (Zürich), der das Verhältnis zwischen Antiqua und Fraktur in deutschen Tex-
ten darstellte und dabei auch die vielfältigen Funktionen der Fraktur nach ihrer
Abschaffung 1941 hinterfragte. Daniel Buncic (Tübingen) zeichnete die historische
Entwicklung des Schriftgebrauchs für das Serbokroatische nach, welche durch eine
allmähliche Ausbreitung des lateinischen Alphabets geprägt ist und viele zweischrif-
tige Situationen bis hin zum heutigen kyrillisch-lateinischen Bigraphismus des Ser-
bischen hervorgebracht hat.
In der Gegenwart existiert eine Vielzahl zweischriftiger Sprachen in Südasien:
An einer Reihe von Beispielen demonstrierte Carmen Brandt (Halle), wie der
Gebrauch unterschiedlicher Schriften für dieselbe Sprache die Bildung religiöser,
ethnischer oder auch regionaler Identitäten begünstigt. Helma Pasch (Köln) erläu-
terte eine Reihe moderner Schrifterfindungen im subsaharanischen Afrika und wies
auf die Beharrungskraft des traditionellen Schriftgebrauchs hin. Barbara Sonnenhau-
ser (München) hinterfragte, warum das Krimtatarische trotz der 1992 beschlossenen
Umstellung vom kyrillischen Alphabet auf das lateinische immer noch bigraphisch
ist. Technisch bedingte Digraphie wurde von Sandra Birzer (Regensburg) anhand
russischer E-Mails in lateinischer Transkription vorgestellt, wobei sich zeigte, dass
sehr unsystematisch (bei Frauen jedoch etwas weniger unsystematisch als bei Män-
nern) transkribiert wird. Henning Klöter (Bochum) diskutierte die Verwendung von
vereinfachten und traditionellen Schriftzeichen sowie von lateinischen Umschriften
 
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