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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2011 — 2012

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I. Das Geschäftsjahr 2011
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Öffentliche Gesamtsitzung in Konstanz am 10. Dezember 2011
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Hahn, Hermann H.: Eröffnung der Sitzung durch den Präsidenten der Akademie Hermann H. Hahn
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Seibel, Wolfgang: Besatzung, Kollaboration und Massenverbrechen: Die Endlösung der Judenfrage in Frankreich, 1940–1944
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https://doi.org/10.11588/diglit.55657#0112
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10. Dezember 2011

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möchte ich den Vortragenden, Kollegen Seibel, ganz kurz vorstellen (obwohl dies
vielleicht hier nicht erforderlich ist, denn Herr Seibel ist Angehöriger der Univer-
sität Konstanz):
Wolfgang Seibel, aus dem Weserbergland stammend, studierte in Marburg
Germanistik und Politikwissenschaft und promovierte mit einer Arbeit zur Ideen-
geschichte der Verwaltungswissenschaft. Seine Habilitationsschrift lautet „Funktiona-
ler Dilettantismus erfolgreich scheiternde Organisationen zwischen Markt und
Staat“. Nach einer ihn und seine Familie begeisternden Zeit in den USA (Institute
for Advanced Studies in Princeton/NJ) kam er über eine Lehr Stuhl Vertretung nach
Konstanz und ist dort als Nachfolger von Thomas Ellwein entschieden geblieben.
Ende der neunziger Jahre, sagt er, begann seine Befassung mit dem Thema des
Beitrages der Verwaltung zum Massenmord an den Juden und der spezifischen Bezie-
hung zwischen Politik und Verwaltung während des Zweiten Weltkrieges. Dies fand
einen Niederschlag in seinem Buch „Macht und Moral. Die Endlösung der Juden-
frage in Frankreich“, das vor etwa einem Jahr erschien. Diese Thematik hat ihn wohl
auch bewogen, Mitglied in der historischen Kommission der „Fondation pour le
memoire de la Shoa“ zu werden.
Mit einem Teilaspekt dieses Themas befasst er sich auch heute. Herr Kollege
Seibel, wir sind gespannt auflhrenVortrag: „Endlösung der Judenfrage in Frankreich
1940 bis 1944“.
HERR WOLFGANG SEIBEL HÄLT EINEN VORTRAG:
„Besatzung, Kollaboration und Massenverbrechen. Die Endlösung der Judenfrage in
Frankreich, 1940—1944“
Nach den Wannseekonferenz vom 20. Januar 1942 begannen die Vorbereitungen für
die systematische Deportation und Ermordung der Juden im deutschen Herr-
schaftsbereich auch in Westeuropa. Hier, wo die inländischen Verwaltungsstrukturen
fast vollständig intakt gelassen worden waren, waren die deutschen Besatzer in
besonderem Maße auf die die Mithilfe inländischer Instanzen angewiesen. Die Nei-
gung zur Mithilfe war in den Ländern unter deutscher Besatzung unterschiedlich
ausgeprägt. Dabei spielten ideologische Nähe zum Antisemitismus der Besatzer und
die Bereitschaft zur Kollaboration aus politischen Motiven eine wesentliche Rolle.
In meinem 2010 erschienen Buch „Macht und Moral. Die ,Endlösung der Juden-
frage in Frankreich, 1940—1944“, auf das sich mein Vortrag stützt, suche ich nach
einer Erklärung für den paradoxen Tatbestand, dass in Westeuropa die Opferrate
unter den Juden in Frankreich am niedrigsten war — einem Land, in dem die natio-
nale Regierung mit Sitz in Vichy offen antisemitisch war und gegenüber den deut-
schen Besatzern eine Politik der „Kollaboration“ betrieb. 75% der in Frankreich
1940 lebenden Juden überlebten die deutsche Besatzung. In den Niederlanden, wo
staatlicher Antisemitismus und Kollaboration nicht vorhanden oder weniger ausge-
prägt waren, lag die Üb erlebensrate bei lediglich 24 %
Man kommt dem Verständnis dieses widersprüchlichen Phänomens näher,
wenn man sich zunächst der abstrakten Frage nach dem Charakter eines arbeitstei-
 
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