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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2011 — 2012

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III. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
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B. Das WIN-Kolleg
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3. Forschungsschwerpunkt „Der menschliche Lebenszyklus – Biologische, gesellschaftliche, kulturelle Aspekte“
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Der Mensch ist so alt wie seine Stammzellen
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Religiöse und poetische Konstruktion der Lebensalter
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https://doi.org/10.11588/diglit.55657#0316
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Das WIN-Kolleg

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telalterlichen und frühneuzeitlichen Roman (Parzival, Tristan, Melusine, Fortunatus'),
und (4.) Alternsnarrativen, die vom gefährlichen Alter in der Mitte des Lebens
erzählen von Goethes Mann von fünfzig Jahren überJakobWassermanns Der Mann von
vierzig Jahren bis zu Thomas Manns Die Betrogene. Einen ersten Einblick in die ein-
zelnen Kapitel geben die folgenden Berichte aus den Teilprojekten.
1. Lebensphasen und Alterskonzepte im Alten Testament
Das alttestamentliche Teilprojekt untersucht biblische Sichtweisen des hohen Alters
anhand von drei ausgewählten Textkorpora, der erzählenden Literatur (Erzelterner-
zählungen, Genesis 12-50), der Psalmenliteratur und der Weisheitsliteratur (Pro-
verbien; Hiob; Jesus Sirach; Weisheit Salomons). Dabei zeigt sich, dass es kein ein-
heitliches Alterskonzept im Alten Testament gibt, vielmehr fällt die Vielfalt und die
Ambivalenz der biblischen Altersbilder auf. Die Psalmenliteratur kommt nur an weni-
gen Stellen auf das hohe Alter zu sprechen. Neben die Klage über die Vergänglich-
keit und Kürze des menschlichen Lebens (Psalm 90) tritt eine äußerst positive
Bewertung des Alters in Psalm 92, der in eindrücklichen Bildern die Lebensfülle und
Lebenskraft des Gerechten bis ins hohe Alter schildert. Psalm 71 sieht das hohe Alter
im Kontext des Lebenszyklus als Ganzes: Geburt, Kindheit und Jugend sind Lebens-
alter, in denen der Beter Gottes Nähe in besonderer Weise erfahren hat, dem-
gegenüber drohen im Alter Gottverlassenheit und Einsamkeit. In der Weisheitsliteratur
steht das Thema Alter undWeisheit im Vordergrund. Viele Texte spielen auf denTopos
der Altersweisheit an: Der alte Mensch zeichnet sich durch seine Weisheit und
Lebensklugheit aus und ist darin Vorbild für die jüngere Generation (vgl. Sir 6,18;
8,9 u.ö.). Mit dem Zerbrechen des Tun-Ergehen-Zusammenhangs zerbricht jedoch
auch die Korrelation von hohem Alter und Weisheit. Weisheit und Lebensklugheit
können nun auch einem jungen, früh verstorbenen Menschen zugesprochen werden
(Weish 4). Schließlich spielt die Altersthematik in den Erzelternerzählungen (Genesis
12-50), den Erzählungen von Abraham und Sara, Isaak und Rebekka, Jakob, Lea
und Rahel sowie Josef, eine wichtige Rolle. Abgesehen von der Josefsgeschichte
(Genesis 37—50), in der zu Beginn der Erzählung Kindheit und Jugend einen brei-
ten Raum einnehmen, wird in den Erzelternerzählungen nur wenig von den frühen
Lebensphasen berichtet, vielmehr werden häufig das hohe Alter und der nahende
Tod thematisiert. Wie wichtig das hohe Alter ist, zeigt sich bereits an den hohen
Lebensaltersangaben, die zwar gegenüber der unmittelbar vorangehenden Genealo-
gie (Genesis 11) abfallen, aber dennoch die übliche Altersgrenze von 70-80 Jahren
(vgl. Ps 90,10) bzw. 120 Jahren (vgl. Gen 6,3) überschreiten. So erreichen beispiels-
weise Abraham und Sara ein hohes Alter von 175 bzw. 127 Jahren, ihr Sohn Issak
stirbt mit 180 Jahren. Themen für die Untersuchung der Altersthematik in den Erz-
elternerzählungen, die in der letzten Projektphase im Vordergrund stehen wird, sind
u.a. die Verheißung von Nachkommenschaft noch im hohen Alter (vgl. Gen 18), die
Abschiedsworte des alten Menschen angesichts des nahen Todes sowie das Sterben
„alt und lebenssatt“.
 
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