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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2011 — 2012

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III. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
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B. Das WIN-Kolleg
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3. Forschungsschwerpunkt „Der menschliche Lebenszyklus – Biologische, gesellschaftliche, kulturelle Aspekte“
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Der Mensch ist so alt wie seine Stammzellen
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Religiöse und poetische Konstruktion der Lebensalter
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https://doi.org/10.11588/diglit.55657#0317
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FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES

2. Alter als Argument.
Zum Gebrauch von Lebensaltertopoi in Texten der römischen Kaiserzeit
Das dem zweiten Teilprojekt zugrunde liegende Corpus setzt sich aus Texten zusam-
men, die vom späten ersten bis zum frühen dritten Jahrhundert n. Chr. entstanden
sind und die Selbst- und Fremddarstellung philosophischer und religiöser Figuren
erkennen lassen. Es umfasst neben Reden und Biographien solcher der rhetorischen
Bewegung der Zweiten Sophistik nahe stehender Autoren wie Apuleius und Luki-
an, neben Briefen (Fronto) und Schriften der christlichen Märtyrerliteratur (Passio
Perpetuae') auch panegyrische Texte (Statius, Martial, Plinius der jüngere). Welche
Rolle das Lebensalter als Argument in den in diesem Textcorpus greifbaren literari-
schen Inszenierungsstrategien und Legitimationsdiskursen spielt, ist Gegenstand der
Untersuchung.
Während in den exemplarischen Studien, die in der ersten Projektphase ent-
standen, die literarische Inszenierung philosophisch Argumentierender und sich als
Philosophen Stilisierender von Bedeutung war, wie in der Apologie des Apuleius
oder in Biographien des Lukian, rückten in der zweiten Projektphase primär als reli-
giöse zu bezeichnende Figuren ins Zentrum. Bei aller Diversität der untersuchten
Texte und der in ihnen in Szene Gesetzten — darunter sind christliche Märtyrer und
divinisierte bzw. sakralisierte Kaiser — ließen sich gemeinsame Strategien im Umgang
mit den Lebensaltertopiken ausmachen. Es konnte gezeigt werden, dass die literari-
schen Lebensläufe der Protagonisten von modellhaften, in tradierten Beschreibungs-
mustern fassbaren abweichen und topische Alterszuschreibungen zwar aufgerufen,
aber zugleich resignifiziert werden.
Literarische Diskurse, welche die Herrschaftsrepräsentation römischer Kaiser
wie Domitian,Trajan und Marc Aurel umgeben, und mit ihnen die in panegyrischen
Sprechweisen fassbaren Erzählungen von Lebensaltern rücken in der das Projekt
abschließenden dritten Phase ins Zentrum der Betrachtung. Besonderes Augenmerk
wird den Umbrüchen gewidmet, zu denen es in der Abfolge von ‘schlechten’ und
‘guten’ Kaisern kommt und die bewirken, dass positiv konnotierte Grenzerweite-
rungen nach dem Tod des Kaisers als Grenzverletzungen beschrieben werden. Die
Erzählungen von den kaiserlichen Lebensaltern stehen somit in einer produktiven
Spannung zwischen Tradition und Resignifikation.
3. Identität und Differenz. Genealogie und Lebensalter im vormodernen Erzählen
Das mediävistische Teilprojekt befasst sich mit der Bedeutung genealogischer Denk-
muster und Lebensalter für die Figurendarstellung im vormodernen Erzählen, ins-
besondere im höfischen und frühneuzeitlichen Roman. Ausgangspunkt der bisheri-
gen Projektarbeit war die Beobachtung, dass die modellhafte Gliederung des
menschlichen Lebensverlaufs in produktivem Kontrast zu einer konkret auserzählten
Biographik steht. Die höfischen Romane des Mittelalters stellen bewusst Grenzfalle
und Abweichungen vom Normlebenslauf heraus, so etwa Parzivals prolongierte
Kindheit in Wolframs von Eschenbach Roman, wobei ihn die kindliche tumpheit
sowohl im ritterlichen Aufstieg behindert als auch zum Gralkönig avancieren lässt.
 
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